Transportversicherung: Risikoausschlüsse genau prüfen

05. Juni 2018
Risiken beim Transport und Umschlag von Gütern versichern Transportversicherungen. Dabei gleicht nicht eine Versicherung der anderen, etwa auch bei den Risikoausschlüssen. Der Bundesgerichtshof hat dazu unlängst ein Urteil gefällt.
Dabei ging es um einen Lkw-Transport nach Russland im Auftrag eines Möbelherstellers. Die zu Beginn des Transports ordnungsgemäß in Kisten verpackten Güter waren dabei über eine Warentransportversicherung versichert. Der russische Zoll öffnete die Kisten und besichtigte die Exponate, die er danach wieder in die Transportkisten verbrachte – „geschmissen“, meinte der Möbelhersteller. Die Kisten wurden anschließend weiter transportiert. Durch die unsachgemäße Behandlung war aber ein Schaden in Höhe von 7.470 Euro entstanden (Beschlüsse vom 8. November 2017 und 22. Februar 2018, Az.: IV ZR 318/16).
Versicherung verweigerte Zahlung
Die Versicherung des Transportunternehmens wollte mit Hinweis auf die zwei Risikoausschlüsse „die Gefahren der Beschlagnahmung, Entziehung und sonstiger Eingriffe von hoher Hand“ und „sämtliche Schäden, die durch Fehlen oder Mängel der Verpackung verursacht werden“ nicht zahlen: Der Eingriff sei von der Zollbehörde, also durch „hohe Hand“ erfolgt, zudem handele es sich um einen Verpackungsmangel, wenn auch aufseiten der Zollbehörden. Der Möbelhersteller interpretierte dies anders. Wer hat Recht?
Nicht die Transportversicherung, die muss nämlich zahlen, so der Beschluss des BGH. „Bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen kommt es nur auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf dessen Interesse an“, fasst Rechtsanwalt Dr. Mansur Pour Rafsendjani von der Kanzlei Noerr aus München die Entscheidung des Karlsruher Gerichts zusammen. Entsprechende Klauseln, die nicht klar formuliert sind, beziehungsweise nicht eindeutig die wirtschaftlichen Nachteile formulieren, sollten deshalb kritisch hinterfragt werden, so der Anwalt, der auf die Themen Einkauf, Vertrieb & Logistik spezialisiert ist.
„Jeder Versicherer schmiedet ein etwas anderes Produkt, dennoch gibt es bestimmte Marktstandards“, sagt Rechtsanwalt Dr. Paul Malek, ebenfalls von der Kanzlei Noerr, dessen Spezialität das Versicherungsrecht ist. Aus seiner Erfahrung kann Malek auch die am häufigsten herangezogenen Deckungsausschlüsse benennen. „Neben dem Streit über die Frage, ob die Ware ausreichend verpackt war, wird auch über Rechtsfragen gestritten – beispielsweise wie genau eine bestimmte Vertragsklausel, meist ein Deckungsausschluss, auszulegen ist und ob dieser anwendbar ist“, sagt Malek. Handelt es sich um Versicherungsbedingungen, die der Versicherer erstellt hat, sind nach dem deutschen AGB-Recht intransparente Klauseln unwirksam. „Auch das ist ein nicht unübliches Streitszenario: Der Versicherer stützt sich auf den Deckungsausschluss – der Versicherungsnehmer verteidigt sich damit, dass der Ausschluss intransparent sei.“
Die beiden Rechtsanwälte raten daher dazu, den angebotenen Versicherungsvertrag aufmerksam zu lesen und auf die Formulierung von Klauseln zu achten. Ihr Tipp: Schon bei Verdacht auf Schaden den Empfang nur unter Vorbehalt quittieren. Wird ein Schaden festgestellt, sollte es laut Rechtsanwalt Pour Rafsendjani eine ausreichende Schadensdokumentation geben, inklusive der Sicherung von Dokumenten und Benennung von Zeugen – etwa, wer die Ware verpackt hat.
Fünf Tipps gegen Überraschungen mit der Transportversicherung
1. Den Versicherungsvertrag aufmerksam und komplett lesen. Sind alle Klauseln verständlich und kann der Vertragsinhalt vollständig nachvollzogen werden? Gibt es Klauseln, die „überraschend“ sind?
2. Werden die Versicherungsbedingungen angepasst oder zusätzlich Bedingungen verhandelt, auf eine klare und verständliche Sprache achten und gegebenenfalls Begriffe genau definieren. Als letzter Schritt – passen alle Klauseln noch zusammen?
3. Alle gewechselten E-Mails beziehungsweise den Schriftverkehr zur Dokumentation zusammenstellen und archivieren – mit Vermerk darüber, welche Treffen stattgefunden haben und was der Inhalt war. Insbesondere relevant: Was der Versicherer vor Vertragsabschluss wissen wollte und sein Verständnis über bestimmte Vertragsklauseln.
4. Die im Vertrag geregelten Obliegenheiten aufmerksam lesen und sicherstellen, dass diese im Schadensfall beachtet werden.
5. Prüfen, ob die Versicherung ausreicht, um die wesentlichen Gefahren abzusichern. Bedarf es eines individuell angebotenen Produkts, etwa für bestimmte Länder, oder bei Zwischenlagerung einer Mitversicherung von Beschädigung durch Nässe und Verderb?
Voraussetzungen für den Versicherungsschutz
1. Versichert sind nur die Güter, die sich auf dem Transportweg befinden (Beladung/Verlassen des Lagerorts bis zum Erreichen der Abladestelle).
2. Es muss sich eine versicherte Gefahr realisiert haben. Hier gibt es zwei unterschiedliche Typen:
Transportversicherungen mit eingeschränkter Deckung: Versichert sind nur die Schäden, die im Versicherungsvertrag auch ausdrücklich aufgezählt sind, wie Unfall des Transportmittels, Einsturz von Lagergebäuden, Brand. Verwirklicht sich eine andere, nicht im Vertrag genannte Gefahr, ist kein Versicherungsschutz gegeben.
All-Risk-Policen (Volle Deckung): Versicherungsschutz besteht für alle (Transport-)Gefahren, die im Vertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden. Der Versicherer muss sich bei diesen Policen genau überlegen, welche Szenarien er vom Versicherungsschutz ausschließen möchte und diese konkret beschreiben. Tut er das nicht – oder nicht transparent genug –, kann er den Versicherungsschutz nicht verweigern.
3. Es darf kein Szenario vorliegen, dass in den Versicherungsbedingungen vom Versicherungsschutz ausgenommen wird, das heißt kein Deckungsausschluss/Risikoausschluss einschlägig sein. Siehe hierzu unter Ziffer II.