Supertruck Scania Longline V8 mit 850 PS
Mit seinem Scania Longline hat Stefan Huber viele Jahre hart gearbeitet. Als Dankeschön bekam der Dreiachser für den Ruhestand eine aufwendige Schönheitskur verpasst. Der Schweizer Stefan Huber und sein spektakulärer Sattelschlepper waren die Hauptattraktion auf der Rüssel Truck Show 2017. Für ihn war der Besuch in Kassel ein richtungsweisendes Erlebnis, das großartigen Einfluss auf seine Zukunftspläne hat und für uns die besondere Gelegenheit, einen ganz außergewöhnlichen Menschen und seinen fantastischen Scania kennenzulernen.
Bald darauf sind wir zu Gast bei ihm in Oberdorf im schweizerischen Kanton Basel-Land. Wir machen einen gemeinsamen Fotoausflug in die Juraausläufer und Stefan kommt ins Erzählen: "1977 machte ich mich selbstständig, mein erster Lastwagen war ein ¬Volvo F89. Zeitweise hatte ich bis zu 15 Züge im Fernverkehr. Später wurde ich zum Logistiker eines großen Fleischimporteurs, dem ich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung unnötige Ausgaben ersparen konnte."
Lkw-Fahren als Kindheitstraum
Dann gibt es von ihm überraschend eine sehr persönliche Erklärung, warum Lastwagen für ihn sein Leben sind: "Ich hatte eine ziemlich unerfreuliche Kindheit, deswegen träumte ich schon mit sechs Jahren davon, in die ferne Welt hinaus zu kommen und etwas anderes zu erleben. Der Glaube an eine Zukunft als Chauffeur, die mir das ermöglicht, hielt mich über meine Kindheit und Jugend hinweg bei guter Laune. Das habe ich dann später kompromisslos gelebt und werde das auch in Zukunft tun!"
So hätte er es Anfang der 2000er-Jahre längst nicht mehr nötig gehabt, selber noch Lastwagen zu fahren. Doch jedes andere Dasein wäre für ihn uninteressant gewesen. Deswegen bestellte er 2004 stattdessen für sich einen der nur gut zwei Dutzend ¬Longline, die jemals von Scania selbst ¬gebaut wurden. Es war ein höchst mutiges Konzept für einen würdigen Lebensraum für Fernfahrer, mit dem der Hersteller damals für große Furore sorgte. Leider ist es in seinen Abmessungen nicht mit sturen europäischen Längenbegrenzungen kompatibel, wes¬wegen die Riesengreife ein nur seltener Anblick auf den Fernstraßen geblieben sind.
Eine Million Kilometer in neun Jahren
Stefan aber machte mit seinem Longline in neun Jahren Fernverkehr eine Million Kilometer und genoss die fast luxuriösen Arbeits¬bedin¬gun¬gen. Über die Serieneinrichtung hinaus hatte er sich schon damals eine Nasszelle und eine gemütliche Polsterung mit weißem Leder und rotem Samt gegönnt. Mit der Gesamtlänge hatte er deswegen kein Problem, weil er 40-Fuß-Thermocontainer mit Importfleisch von Rotterdam in die Schweiz brachte, dabei passen die 16,5 Meter Längenvorgabe gerade noch.
Doch Stefan ist auch ein Mensch von klaren Entschlüssen und einer davon lautete schon lange, dass er sich mit 60 Jahren aus dem Arbeitsleben zurückziehen wollte. Passend zu diesem Geburtstag im vergangenen Februar machte er mit umfangreicher Planung ein besonderes Geschenk an sich selbst: Der Longline ging zuvor nach Holland, zu Trucktuner Sjaak Kentie, der den Auftrag bekam, dem Sattelschlepper ein neues, zweites Leben zu verleihen.
Supertruck-Mekka Niederlande
Es ist bemerkenswert, wie viele Fahrzeugbauer, Veredeler, Lackierer und Polsterer speziell in den Niederlanden die Wünsche ihrer Kunden aus der Lkw-Branche erfüllen. Viele Transporteure zeigen prachtvolle Fuhrwerke als Aushängeschild ihrer Betriebe. Ständig gedeihen neue Projekte, Supertruckfreunde aus ganz Europa bringen inzwischen ihre Fahrzeuge zur Individualisierung extra zu den Holländern.
Die Auftragsliste des Schweizers ließ auf ein ganz großes Projekt schließen. Sie umfasst fünf Druckseiten und 200 Einzelpositionen. Für die Verwirklichung bekam Kentie aber auch fast zwei Jahre Zeit. Erst wurde die Maschine bis zur letzten Schraube zerlegt und dann von Grund auf wieder aufgebaut. Das verleiht dem Scania praktisch den Zustand der Neuwertigkeit.
Bett schwebt von der Decke ein
Die Konstruktion verzichtet jetzt auf das übliche Frontklappbett unter dem Hochdach und bietet stattdessen eine Schlafstatt in königlichem Format, die sich auf Knopfdruck an Bändern vom Dach der Kabine herabsenkt. Darunter verbirgt sich eine klug ausgestattete und wohnliche Sitzgruppe. Hier ist genug Platz, um gemütlich mit Freunden und Kollegen zusammen zu sein.
Das gesamte Chassis zeigt sich mit feinster Blecharbeit verkleidet und mit prächtigen Leuchten verfeinert. Die Auspuffrohre wurden mehrfach umgebaut, bis sie das gewünschte Klangbild lieferten. Auf die Riesenkarosserie der Zugmaschine kam ein Airbrush mit dem Design des niederländischen Transporteurs Ruud Sneepels, dazu ein gelbes Kennzeichen. Die Erklärung dafür ist einfach: Familie Sneepels und Stefan sind schlicht und einfach enge Freunde.
Aktiv bei der Truck Show Rüssel
Doch zurück zur Truck Show Rüssel: Hier wurde Stefan mit dem Schicksal krebskranker Kinder konfrontiert. Das hat ihn mit Blick auf seine eigene Geschichte zutiefst berührt. Aus diesem Grund will er mit seinem Lastwagentraum künftig nach und nach eine eigene Spendenkampagne auf Truckshows in ganz Europa aufbauen, frei nach dem Motto: "Du darfst dich gerne mal in meinen Lastwagen hineinsetzen und vielleicht auch mal etwas Gas geben, aber bitte spende dafür etwas, um betroffenen Kindern und ihren Familien zu helfen!" Stefan sieht sich als Rebell in der Tradition von Rubberduck, der in seinem Leben auch im Ruhestand noch viel bewegen will. Wir wünschen ihm dabei voller Respekt ganz viel Erfolg!
Technische Daten
- Truck: Scania 164 Longline
- Erstzulassung: 2004
- Leistung: 850 PS
- Laufleistung: 30.000 km p. a.
- Trailer: Wohntrailer im Bau
- Eigentümer und Fahrer: Stefan Huber
- Artwork/Interieur: Sjaak Kentie
- Aufgabengebiet: Ruhestandsvergnügen