Mobilitätspaket: EuGH kippt Rückkehrpflicht für Lkw
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) weist die Klagen verschiedener Staaten gegen das EU-Mobilitätspaket zurück. Er bestätigt die weitgehende Gültigkeit des Mobilitätspakets, erklärt jedoch die Rückkehrverpflichtung für Lkw für nichtig.
Geklagt hatten Litauen, Bulgarien, Rumänien, Zypern, Ungarn, Malta und Polen unter anderem gegen die Verpflichtung, dass Fahrzeuge im grenzüberschreitenden Transport alle acht Wochen zu einer der Betriebsstätten im Niederlassungsmitgliedsstaat des betreffenden Verkehrsunternehmens zurückkehren müssen.
Die Begründung des EuGH: „Das Parlament und der Rat haben nicht dargetan, dass sie beim Erlass dieser Maßnahme über ausreichende Informationen verfügten, die es ihnen ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu beurteilen.“
Mit seinem Urteil weist der Gerichtshof die weiteren Klagen ab und bestätigt nach eigenen Angaben weitgehend die Gültigkeit des Mobilitätspakets.
Die Klagen richteten sich auch gegen
• das Verbot für Fahrer, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, und die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen, die Arbeit ihrer Fahrer entsprechend zu planen;
• die Vorverlegung des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Verpflichtung zum Einbau intelligenter Fahrtenschreiber der zweiten Generation;
• die sogenannte Abkühlungsphase nach Kabotagebeförderungen
• und die Einstufung der Kraftfahrer als „entsandte Arbeitnehmer“, wenn sie Kabotagebeförderungen durchführen.
Nach Ansicht des Gerichts sind dadurch nicht, wie die Länder vorbrachten, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, das Diskriminierungsverbot, die gemeinsame Verkehrspolitik, der freie Dienstleistungsverkehr, die Niederlassungsfreiheit, der freien Warenverkehr, die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie des Umweltschutzes betroffen.
Nach Auffassung des EuGH hat der Unionsgesetzgeber, also Parlament und Rat, die Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums in diesem Bereich nicht offensichtlich überschritten.
Freier Dienstleistungsverkehr nicht gestört
Für den freien Dienstleistungsverkehr im Bereich des Verkehrs gilt laut EuGH eine Sonderregelung. Demnach haben die Verkehrsunternehmen nur insoweit ein Recht auf freien Dienstleistungsverkehr, als ihnen dieses Recht durch vom Unionsgesetzgeber erlassene Maßnahmen wie die des Mobilitätspakets eingeräumt wurde.
Im Übrigen verbietet dieses Maßnahmenpaket es den Verkehrsunternehmen nicht, von der Niederlassungsfreiheit durch die Gründung von Tochtergesellschaften in den Mitgliedsstaaten, in denen sie Beförderungen durchführen wollen, Gebrauch zu machen und sich auf diese Weise näher an der tatsächlichen Nachfrage nach ihren Dienstleistungen zu orientieren.
Mobilitätspaket schützt Interessen der Arbeitnehmenden
Der Gerichtshof entscheidet ferner, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Mobilitätspaket die Wahrung eines neuen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen beabsichtigt hat, nämlich insbesondere dem Interesse der Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer, in den Genuss besserer sozialer Arbeitsbedingungen zu kommen, und dem Interesse der Arbeitgeber, ihre Beförderungstätigkeiten zu fairen wirtschaftlichen Bedingungen auszuüben.
Der Straßenverkehrssektor muss daher laut EuGH sicherer, effizienter und sozial verantwortlicher werden: Der Unionsgesetzgeber durfte davon ausgehen, dass unter Berücksichtigung dieses erforderlichen Ausgleichs ein erhöhter sozialer Schutz der Kraftfahrer zu einem Anstieg der von bestimmten Verkehrsunternehmen getragenen Kosten führen kann. Die zu diesem Zweck erlassenen Vorschriften stehen in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel.
Keine Diskriminierung gegeben
Außerdem gelten die Vorschriften unterschiedslos in der gesamten Europäischen Union und diskriminieren keine Verkehrsunternehmen mit Sitz in vermeintlich „an der Peripherie der Union“ gelegenen Mitgliedsstaaten. „Wenn sich diese Vorschriften auf bestimmte Unternehmen stärker auswirken sollten, dann deshalb, weil diese sich für ein Geschäftsmodell entschieden haben, das darin besteht, ihre Dienstleistungen im Wesentlichen, wenn nicht vollständig, an Empfänger zu erbringen, die in von ihrem Niederlassungsmitgliedsstaat weit entfernten Mitgliedsstaaten ansässig sind“, heißt es in der Begründung des Gerichts.