Mauterhöhung: Branche schlägt Alarm
In der Branche ist der Ärger über die geplante CO2-Maut ab Dezember 2023 groß. Tritt sie ohne weitere Änderungen in Kraft, wird sie die Existenz vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen vernichten. Das ist die Prognose von Dr. Jörg Mosolf, dem Vorstandsvorsitzenden (CEO) des Automobillogistikers Mosolf aus Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen). „Wir als große Firma werden es überleben“, sagt der Chef der Mosolf-Gruppe, die an 38 Standorten rund 3.500 Mitarbeiter beschäftigt und in Europa etwa 1.000 eigene Lkw einsetzt. „Doch wir können kein Interesse daran haben, dass der Mittelstand kaputt gemacht wird“, betont er.
Der Grund für die Annahme, dass viele keine Unternehmen auf der Strecke bleiben: Die wirtschaftliche Lage ist angespannt – auch bei der verladenden Wirtschaft. Daher geht Unternehmer Mosolf davon aus, dass es den Transport- und Logistikdienstleistern mehrheitlich nicht gelingen wird, die zusätzlichen Kosten komplett weiterzureichen. Entsprechende Rückmeldungen bekomme er von seinen eigenen Großkunden, die ihrerseits schon Sparprogramme aufgelegt hätten, um die steigenden Kosten in den Griff zu bekommen. „Das bedeutet meist, dass der Einkauf dominant wird“, erklärt er. Soll heißen: Verlader schauen wieder verstärkt auf die Logistikkosten. Mosolf selbst sei sich seiner Verantwortung bewusst und werde seinen Transportpartnern – die etwa 20 Prozent des Volumens bewegen – die erhöhte Maut erstatten. Natürlich ist die CO2-Maut für Mosolf auch kein Pappenstiel. „Sie bedeutet bei uns eine Verdopplung der Mautkosten von aktuell rund neun Millionen Euro im Jahr.“
Mosolf: Gespräch mit Abgeordneten im Wahlkreis suchen
Noch ist aber nicht Dezember und sind die Pläne nicht umgesetzt. Also besteht im nun anstehenden parlamentarischen Verfahren noch Gelegenheit, das Gespräch mit den Abgeordneten zu suchen, um ihnen die Folgen aufzuzeigen sowie um Anpassungen im Sinne der Branche anzuregen. Denn der Gesetzentwurf muss ja zunächst noch den Bundestag passieren. Noch bleibt also eine gewisse Frist. Genau dieses Vorgehen, also das Gespräch mit den Wahlkreisabgeordneten zu suchen, empfahl Mosolf seinen Unternehmerkollegen bei der Mitgliederversammlung des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL) kürzlich in Rust.
Mosolf selbst machte nun den Anfang und lud – organisiert von trans aktuell – die Abgeordneten seines Wahlkreises Nürtingen zum Austausch zu sich nach Kirchheim ein: Renata Alt (FDP, vor Ort), Matthias Gastel (Grüne, online zugeschaltet) und Dr. Nils Schmid (SPD, online zugeschaltet). CDU-Mann Michael Hennrich war vor wenigen Wochen in die Wirtschaft gewechselt, weshalb die Christdemokraten nicht dabei waren. Alt ist Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Schmid ist Obmann des Auswärtigen Ausschusses und war bis 2016 fünf Jahre Finanz- und Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg. Für Gastel wiederum sind Verkehrs- und Mobilitätsthemen sein täglich Brot: Er ist Mitglied des Verkehrsausschusses und seit 2013 im Bundestag. Mit von der Partie waren ferner Andrea Marongiu, Geschäftsführer des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL), sowie Mosolf-Vorstandsmitglied Wolfgang Göbel und Mosolf-Geschäftsführer Egon Christ.
„Wir sind uns einig, dass wir ein neues Instrument gebraucht haben“, sagte VSL-Vertreter Marongiu an die Adresse der Abgeordneten. Am Wesen einer Maut, die über eine CO2-Komponente eine Verkehrslenkung auslösen soll, sei nichts auszusetzen. „Wir tun uns nur schwer, wenn die Politik nicht nur die Ziele, sondern auch den Weg dorthin vorgibt“, erklärte er. Der VSL setzt sich wie sein Mitgliedsunternehmen Mosolf dafür ein, dass die Politik Anreize für die Nutzung von alternativen Kraftstoffen gibt, etwa für die Dieselalternative HVO (hydriertes Pflanzenöl), die erhebliche CO2-Einsparungen mit sich bringen. Im Mautgesetz sind hier keine Vergünstigungen vorgesehen, weshalb dafür ein anderer Rahmen geschaffen werden müsste. „Wir könnten über Nacht CO2 einsparen, ohne unsere Infrastruktur ändern zu müssen“, sagte Marongiu.
VSL: neues Mautgesetz verschieben
Dem VSL geht es aber auch um das Timing bei der Maut. Die Stimmung in den Unternehmen sei in den vergangenen Wochen komplett gekippt. Speditionen könnten Kostensteigerungen in dieser Größenordnung nicht ohne Weiteres an die Kunden überwälzen. Daher fordert der Verband, die CO2-Maut zu verschieben. Laut Mosolf-Vorstandsmitglied Göbel kommt die Mauterhöhung im Schnitt einer Kostensteigerung von sieben bis acht Prozent gleich. „Das ist in unserer Branche der Faktor 2 bis 3 der Margen.“ Je nach Segment ist der Anteil an den Gesamtkosten sogar noch höher: Unternehmen, die im Teil- und Komplettladungsverkehr tätig sind, beschert die Maut einen Kostenschub von zehn bis zwölf Prozent.
Die Wirtschaft werde zur Unzeit massiv belastet, führte Marongiu aus. „Die Mauterhöhung kommt einer Mehrwertsteuer-Erhöhung um 0,5 Prozent gleich“, rechnete er vor. Zugleich macht er sich für den im Koalitionsvertrag zugesagten Ausgleich zur Doppelbelastung durch CO2-Preis und CO2-Maut stark und warnt davor, die Zusatzeinnahmen in den allgemeinen Haushalt fließen zu lassen. „Das wäre für uns die Hiobsbotschaft schlechthin“, sagte Marongiu, der entsprechende Signale aus der Politik wahrgenommen hat.
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