Mautdaten zur Kabotage-Kontrolle nutzen
Mautdaten sollen bei der Kabotage-Kontrolle helfen. Zudem werden die bisher falsch festgesetzten Mautsätze reduziert.
Der Bundestag will illegalen Praktiken in der Transport- und Logistikbranche mithilfe von Mautdaten einen Riegel vorschieben. Um hier Fortschritte zu erzielen, wurden dazu entsprechende Maßnahmen verabschiedet. Zusätzlich hat das Parlament neue Mautsätze auf den Weg gebracht, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 28. Oktober entschieden hatte, dass die Bundesrepublik Lkw-Betreiber nicht für die Kosten der Verkehrspolizei zur Kasse bitten darf.
EuGH gibt Klage einer polnischen Spedition Recht
Vorangegangen war eine Klage einer polnischen Spedition gegen das zu Grunde liegende Wegekostengutachten. Ohne diese für die Branche wichtigen Punkte wäre das „zweite Gesetz zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der Einführung des europäischen elektronischen Mautdienstes“ wohl nur eine Formsache. Die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht hätte wenig Aufmerksamkeit erfahren.
„Mit den zusätzlichen Punkten in der Richtlinie können wir dem Anspruch des europäischen Mobilitätspakets gerecht werden und Sozialdumping sowie Wettbewerbseinschränkungen noch besser bekämpfen“, erklärte Udo Schiefner, Berichterstatter für Güterverkehr und Logistik der SPD-Bundestagsfraktion, bei einer Videoschalte des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt sprach von einem „guten Schritt für die mittelständischen deutschen Transportunternehmen“.
Damit hat das BAG künftig noch bessere Möglichkeiten, um illegaler Kabotage auf die Schliche zu kommen und zu ahnden. Das BAG sei technisch vorbereitet und könne „ohne größere Anpassungen“ auf diese Daten des Mautbetreibers Toll Collect zugreifen, sagte Engelhardt. Er ermunterte die Unternehmen seiner Landesverbände Verdachtsfälle zu melden, damit das BAG in diesen Fällen genauer hinschauen könne. Auch die neue Generation der digitalen Tachografen liefert Geodaten und gibt Auskunft über den Grenzübertritt – allerdings in der Fläche erst ab dem Jahr 2025. Schon vorher, ab dem 2. Februar 2022, sind Fahrer angehalten, den Grenzübertritt manuell zu dokumentieren. Das BAG hat nun also schon deutlich früher Zugriff auf diese Informationen.
BGL-Chef Engelhardt spricht von großem Erfolg
Zwar haben die Beamten dann noch keine Erkenntnis darüber, wie viele innerdeutsche Fahrten im Zeitraum zwischen Grenzeintritt und -austritt erfolgt sind (ob es also mehr als die erlaubten drei sind), außer eben über die Angaben auf den Frachtbriefen. „Doch es ist ein erster Wurf und als solcher ein großer Erfolg“, sagte Engelhardt auf Nachfrage der Fachzeitschrift trans aktuell. Die Informationen zu den innerdeutschen Fahrten lägen dann vor, wenn der elektronische Frachtbrief obligatorisch wird. „Unser Brüsseler Büro arbeitet gemeinsam mit der International Road Transport Union hieran mit Hochdruck.“
Ebenfalls beschlossen hat das Parlament, dass anonymisierte Mautdaten für ein besseres Verkehrsmanagement genutzt werden können. SPD-Politiker Schiefner kann sich vorstellen, dass diese Daten Erkenntnisse über grenzüberschreitende Verkehrsströme liefern und für eine bessere Planung von freien Parkflächen an den Hauptachsen hilfreich sein können. „Bei unterschiedlichen Feiertagsregelungen erleben wir, dass die Parkplätze überlaufen“, erläuterte er – etwa wenn in Deutschland ein Feiertag ist, nicht aber in den Niederlanden.
Auf der virtuellen Fachmesse transport logistic diskutierte der BGL mit Schiefner und seinem Pendant bei der Unions-Fraktion, Karl Holmeier auch darüber, ob die Behörden härter gegen Flotten aus Osteuropa vorgehen sollen, die dauerhaft mit ihren Trailern die Parkplätze der wichtigen Magistralen blockieren. Dazu sehe das neue Gesetz keine Verschärfung vor, man habe aber bereits einige dahingehende Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Keine Manipulationen mehr mit Gastanks bei der Maut
Sehr wohl als ein Schritt in Richtung fairer Wettbewerb zu verstehen ist eine Klarstellung im Gesetz mit Blick auf die Nutzung von Erdgas. Das BAG war wiederholt mit Fällen von Manipulation und Betrug konfrontiert, als „findige“ Firmen Alibi-Gastanks anbrachten, um sich ungerechtfertigte Mautvorteile zu ergaunern. Wer Gastanks nachrüstet, bekommt künftig keinen Freifahrschein mehr, es profitieren nur noch Unternehmen, deren Fahrzeuge „werksseitig für den Betrieb mit CNG, LNG oder als Zweistoffmotor mit LNG/Diesel ausgeliefert wurden“, heißt es nun.
Wovon alle Unternehmen aus dem In- und Ausland mit Lkw über 7,5 Tonnen profitieren, ist von einer Rückerstattung von zu viel bezahlter Maut und in der Folge von ermäßigten Mautsätzen. Die Tarife sollen mit Wirkung zum 28. Oktober 2020 angepasst und im Oktober dieses Jahres in Kraft treten. Von der Reduzierung betroffen ist der Mautteilsatz der Infrastrukturkosten, der bisher die Kosten der Verkehrspolizei berücksichtigte. Für Lkw von 7,5 bis 12 Tonnen gilt: 6,5 statt 8,0 Cent; für Lkw von 12 bis 18 Tonnen: 11,2 statt 11,5 Cent; für Lkw über 18 Tonnen mit bis zu drei Achsen: 15,5 statt 16,0 Cent; für Lkw über 18 Tonnen mit vier und mehr Achsen: 16,9 statt 17,4 Cent. Leicht erhöhen sich im Gegenzug die Kosten für Lärmbelastung und Luftverschmutzung. Beim Lärm gibt es für alle Klassen einen minimalen Aufschlag von 0,22 auf 0,23 Cent. Bei den externen Kosten für die Luftverschmutzung steigen die Gebühren von 1,1 auf 1,2 Cent (Euro 6), 2,2 auf 2,3 Cent (EEV und Euro 5), 3,2 auf 3,4 Cent (Euro 4), 6,4 auf 6,7 Cent (Euro 3), 7,4 auf 7,8 Cent (Euro 2) und 8,5 auf 8,9 Cent (Euro 1 und ohne Einstufung).
Wer mautpflichtige Lkw einsetzt, kann die zu viel bezahlten Gebühren von 28. Oktober bis 30. September dieses Jahres zurückerstattet bekommen, sofern er einen entsprechenden Antrag beim BAG einreicht. Als Nachweis dienen die monatlichen Abrechnungen bei Toll Collect oder Einzelfahrtennachweise. Die fehlerhafte Berechnung kommt nun den Bund teuer zu stehen. Stellen alle Mautzahler einen Antrag auf Rückerstattung, rechnet der Bund mit einem Betrag von 194 Millionen Euro. Und auch die Prognose fällt für die öffentliche Hand weniger rosig aus als zunächst gedacht: Für Oktober 2021 bis Dezember 2022 rechnet der Bund mit Mindereinnahmen von 236 Millionen Euro.