Robotik-Start-up Magazino im Aufwind
Das Münchener Robotik-Start-up Magazino liefert erstmals den neuen Roboter Soto aus. Das Modell Toru (im Bild) ist bereits bei Fiege und Meyer & Meyer im Einsatz.
Seit der Gründung 2014 und vor allem seit dem Einstieg von Siemens im Jahr 2015 geht es für das Münchener Jung-Unternehmen Magazino bergauf. Im Februar 2018 sammelte Magazino bei einer Investitionsrunde rund 20 Millionen Euro ein. Hauptinvestor war die Management-Holding Körber. Der Logistikdienstleister Fiege, Siemens, die Investment Holding Cellcom sowie der Online-Schuhhändler Zalando beteiligten sich ebenfalls. Stichwort Schuhe: Sie sind der Hauptanwendungsfall des Magazino-Roboters Toru, der aus einer mobilen Basis, einer ausfahr- und drehbaren Säule mit Greifsystem und einem herausnehmbaren Regal besteht.
Der Greifarm funktioniert bei quaderförmigen Objekten verschiedener Größen. Die 2D-Kameras scannen den Barcode der Ware, die 3D-Kamera identifiziert mögliche Greifpunkte – auch bei noch nicht im System erfassten Artikeln. Das aus dem Regal gegriffene Objekt lagert der Roboter in seinem eigenen Regal zwischen und bringt es direkt zur Versandstation.
Momentan sind 18 Toru bei sieben Kunden im Einsatz
„Wir haben uns auf eine spezifische Kundenanforderung fokussiert, nämlich den stückgenauen Zugriff einzelner Objekte“, erklärt Brantner. Die daraus entstandene Lösung sei einzigartig auf dem Markt. Dafür sorge auch der selbstlernende Algorithmus, der dem Roboter ein Verständnis für die Umwelt ermöglicht. So kann er zum Beispiel eigenständige Entscheidungen treffen, wenn etwas im Weg liegt. Momentan sind 18 Toru bei sieben Kunden im Einsatz, darunter die Logistikdienstleister Fiege und Meyer & Meyer. „Die Unternehmen beginnen meist mit zwei bis drei Robotern und fordern dann weitere an“, erklärt Magazino-Pressesprecher Florin Wahl.
Die Auftragslage ist gut, die Stückzahlen steigen immer weiter an. „Momentan produzieren wir zum ersten Mal zwanzig Toru in Serie, zuvor waren es immer zwei bis drei“, sagt Wahl. Der Platzbedarf wurde entsprechend angepasst: Die Magazino-Mitarbeiter tüfteln inzwischen auf zwei Etagen in einem Bürogebäude unweit des Münchener Hirschgarten. Einige der insgesamt 104 Angestellten arbeiten auch direkt bei den Kunden vor Ort.
Die Produktion soll outgesourct werden
„Aufgrund der hohen Mitarbeiterzahl werden wir oft gefragt, ob wir uns noch als Start-up sehen“, erklärt Wahl. Doch solange das Unternehmen keine schwarzen Zahlen schreibe, bezeichnet sich Magazino als Start-up. Auch das Durchschnittsalter der Mitarbeiter, das 29 Jahre beträgt, spricht dafür. Mit den Zukunftsplänen könnte sich die Firmierung allerdings ändern: Das erste Projekt außerhalb Deutschlands stehe demnächst in Osteuropa an, die Produktion soll outgesourct und die Serienfertigung damit angegangen werden.
Dabei wollen die Unternehmer ihrer Nische treu bleiben, andere Bereiche wie die letzte Meile kommen vorerst nicht in Frage. Ein neues Produkt gibt es dennoch: den mobilen Transportroboter Soto. „Während der Toru für den E-Commerce und speziell Schuhe gedacht ist, entwickeln wir den Soto für größere Objekte bis zu 15 Kilogramm“, erklärt Brantner. Das Start-up reagiere damit auf die Nachfrage der Kunden. „Auf Messen bekamen wir oft die Rückmeldung, dass hinter dem Toru zwar ein gutes Konzept steckt, es aber nicht für die Produktionshalle taugt“, sagt Brantner. Besonders im produzierenden Gewerbe sieht er für den Soto großes Potenzial.
Keine direkte Interaktion mit Menschen
Der Roboter sortiert gefüllte Ladungsträger ins Fachbodenregal ein, zum Beispiel Kleinladungsträger (KLT) oder Kartons. In der Produktionsversorgung könnte der Soto die benötigten Rohmaterialien anstelle eines Routenzugs bereitstellen, indem er die KLT mit Teilen zur Montagestation transportiert. Die ersten fertigen Soto befinden sich seit Ende Juli im Kundeneinsatz.
Beide Roboter, Toru und Soto, haben eine Gemeinsamkeit: Es findet keine direkte Interaktion mit Menschen statt. „Unsere Roboter sind für ein Nebeneinander, nicht für eine Zusammenarbeit konzipiert“, sagt Brantner. Er gehe nicht davon aus, dass Roboter Menschen in der Lagerhalle vollständig ersetzen. Der Mensch sei mit seinen motorischen Fähigkeiten und seiner Flexibilität der Maschine noch lange Zeit weit überlegen. „Allerdings können Roboter mit zunehmenden Fähigkeiten immer mehr einfache Tätigkeiten übernehmen.“ In Zeiten des Fachkräftemangels und demografischen Wandels gehöre Robotern definitiv die Zukunft. Auch, weil sie, wie im Falle der Magazino-Roboter, für ergonomische Erleichterung sorgen. „Die Roboter gelangen mühelos an die oberen und unteren Regalfächer“, sagt Brantner.
Technologien wie VR-Brillen hält der Gründer jedoch nur für Übergangslösungen. „Sie optimieren den Menschen, verschieben das Problem aber nur.“ Trotzdem arbeitet Magazino mit den Münchener Start-ups Proglove und Blik zusammen, „weil wir uns gut ergänzen“. Proglove hat einen intelligenten Handschuh fürs Lager entwickelt, Blik eine kombinierte Soft- und Hardwarelösung, die Waren und Prozesse in Echtzeit überwacht. Scheint, als hätte das Team seine Hausaufgaben für die Zukunft gemacht. Und auch eine Alternative fürs gemeinsame Frühstück fand sich: Seit kurzem gibt es den Mixed-Lunch, bei dem die Mitarbeiter einander für ein gemeinsames Mittagessen zugelost werden.