Aufschub für neue Fahrer-Entsendungsregelungen

15. Juni 2018
Die Neuregelungen zu Lenk- und Ruhezeiten und Entsendungen für Lkw-Fahrer werden in Brüssel noch einmal überarbeitet. Das Europäische Parlament hat Reformvorschläge des Verkehrsausschusses im Rahmen des ersten EU-Mobilitätspakets abgelehnt und die Abstimmung auf die Plenarsitzung im Juli verschoben. Damit können in der Zwischenzeit noch Änderungsanträge eingebracht werden. Der Ausschuss hatte sich unter anderem mehrheitlich dafür ausgesprochen, internationale Transporte vom Mindestlohn auszunehmen und die Ruhezeitenregelung flexibler zu gestalten. Von den Bestimmungen sind etwa drei Millionen Lkw-Fahrer betroffen.
Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) begrüßte das eindeutige Votum: „Damit kann das deutsche Transportgewerbe weiter darauf hoffen, dass durch das Mobilitätspaket der EU fairere Rahmenbedingungen auf dem EU-Transportmarkt geschaffen werden“, zeigte sich BGL-Hauptgeschäftsführer Professor Dirk Engelhardt erleichtert. Der Verband hatte vor der Abstimmung gewarnt, dass eine Streichung grenzüberschreitender Verkehre aus der EU-Entsenderichtlinie unweigerlich zu weiteren Marktanteilsverlusten deutscher Unternehmen im europäischen Güterverkehr führe.
Der BGL setzt darauf, dass das Parlament bei der weiteren Beratung über die Entsenderichtlinie „eine ausgewogenere und mit mehr Fairness ausgestattete Lösung“ findet, bevor es versucht, mit dem EU-Verkehrsministerrat und der Europäischen Kommission eine Einigung zu erzielen. Andernfalls seien nicht zuletzt Fahrer aus Niedriglohnländern, auf deren Rücken Sozialdumping betrieben werde, die Leidtragenden. Die Abgeordneten hatten gleichzeitig aber auch die Vorschläge zum Marktzugang und zu den Lenk- und Ruhezeiten abgelehnt. Diese seien aber eine deutliche Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Zustand und dürften nicht „durch einen Verzicht auf Entsenderegelungen im internationalen EU-Verkehr zunichte gemacht werden“, sagte Engelhardt.
Verbände mit unterschiedlichen Positionen
Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) dagegen hatte genau auf die Lösung gesetzt, die die Parlamentarier jetzt zunächst einmal zurückgewiesen haben und sah darin eine Stärkung der auf Arbeitsteilung, Spezialisierung und offene Grenzen aufgebauten Logistik. Es sei nicht zu verkennen, dass im europäischen Straßengüterverkehr soziale Fehlentwicklungen entstanden seien, betonte der Verband. Die konsequente Umsetzung des vom Ausschuss ebenfalls beschlossenen Vorschriftenpakets zu Lenk- und Ruhezeiten, Übernachtungen im Fahrzeug und zur Wochenruhezeit reiche aber aus, um die Bedingungen deutlich zu verbessern und das so genannte Fahrernomadentum wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Kontrolldichte in Europa müsse spürbar erhöht werde, einer Ausweitung des Entsenderechts bedürfe es aber dafür nicht.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte die vom Ausschuss abgesegneten Veränderungen im Vorfeld als „katastrophal“ eingestuft. Damit werde verhindert, dass der Lohn vor Ort bei internationalen Transporten gezahlt werden müsse, außerdem werde ermöglicht, dass das Fahrpersonal sämtliche wöchentlichen Ruhezeiten in der Fahrerkabine verbringe. Dem Geschäftsmodell der Briefkastenfirma werde so weiter Vorschub geleistet, kritisierte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis.
Es sei seiner Fraktion zu verdanken, dass das Parlament vorerst nicht auf der Basis des Ausschussberichts in die Verhandlungen mit dem Rat gehe, sondern zunächst noch einmal im Plenum abstimme, betonte der deutsche Grünen-Abgeordnete Michael Cramer. „Dort werden wir glücklicherweise noch einmal die Möglichkeit haben, diesen Bericht durch Änderungsanträge zu verbessern oder dagegen zu stimmen“, sagte er. Es gelte jetzt, weiter Druck zu machen, um zu verhindern, dass Lkw- und Busfahrer in ganz Europa weiter ausgebeutet würden.
„Der Wettbewerb um günstige Transportpreise schadet Fahrerinnen und Fahrern genauso wie fair wirtschaftenden kleinen und mittelständischen Unternehmen, die das Lohn- und Sozialdumping nicht mitmachen“, erläuterte der verkehrspolitische Sprecher der europäischen Sozialdemokraten, Ismail Ertug. Die Mehrheit des Parlaments habe ein Zeichen der Hoffnung gesetzt und verfüge jetzt über die Möglichkeit, den Unterbietungswettkampf zu beenden. Eine Flexibilisierung der Lenk- und Ruhezeiten gehe zu Lasten der Fahrer, sind sich Sozialdemokraten, Grüne und Gewerkschaften einig.