ECG: Digitalisierung ist Herausforderung

07. Nov. 2018
Der Kongress des Verbands der europäischen Fahrzeuglogistiker (ECG) in Mainz zeigte die aktuellen Themen der Branche auf.
Die aktuellen Probleme seien europaweit zunächst das Fehlen von sicheren Parkplätzen, gerade für Autotransporter mit ihrer wertvollen Fracht, der Mangel an Berufskraftfahrern und auch – zumindest in Deutschland – die Erhöhung der Lkw-Maut, wie ECG-Vorstand Wolfgang Göbel sagte. „Die Ansage der Kunden hierzu ist, die Umsetzung abzuwarten und dann erst über die gestiegenen Kosten zu reden.“
Zusammenarbeit mit dem VDA
Eine weitere Herausforderung ist das Thema Digitalisierung, zu dem der Verband auch einen Arbeitskreis führt. Dabei arbeite man zusammen mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA) an dem Ziel, einen gemeinsamen Standard für die Digitalisierung jener Prozesse zu finden, die derzeit noch manuell bearbeitet werden, etwa das Scannen von Fahrzeugen. Die gemeinsame Arbeitsgruppe aus Herstellern und Dienstleistern wolle damit den Outbound-Prozess in der Fahrzeuglogistik effizienter und transparenter machen, sodass die vernetzten Autos der Zukunft Informationen nicht nur an die Fahrzeughersteller, sondern per EDI und später XML auch an die Logistikdienstleister sendeten, die sie transportieren sollen, sagte Göbel, der beim Fahrzeuglogistiker Mosolf aus Kirchheim als Vertriebsvorstand tätig ist. Wenn ein Auto vor der Verladung aktiv melden kann, dass es noch betankt oder ein kleiner Lackschaden repariert werden muss, habe das Einfluss auf die gesamte nachfolgende Lieferkette. Ein weiteres ECG-Projekt ist Caesar, ein geplanter Standard für Volumenprognosen im Fahrzeugsektor.
Weitere Erleichterungen soll das System Electronic Freight Transport Information (EFTI) als Teil des 3. Mobilitätspakets der EU-Kommission bringen, das zumindest dem Frachtbrief aus Papier ein Ende bereiten soll. Astrid Schlewing vom Bereich DG Move bei der EU-Kommission versicherte, dass der elektronische Frachtbrief nicht mehr Vorgaben als jetzt benötigen soll und dass vorhandene Vorgaben einfach elektronisch umgesetzt werden. Wann die Plattform und die weiteren Services dafür Wirklichkeit werden? Laut Schlewing nicht vor der nächsten Ratspräsidentschaft Rumäniens im kommenden Jahr.
Volle Flächen im August
Was die Digitalisierung nicht abfangen kann, sind die Entwicklungen, die sich bereits jetzt abzeichnen. Etwa die Auswirkungen des WLTP (Worldwide Harmonized Light-Vehicle Test Procedure), des seit September 2017 geltenden neuen Messverfahrens für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, sowie des neuen Prüfzyklus WLTC (Worldwide Harmonized Light Duty Test Cycle). Seit dem 1. September dieses Jahres seien die Ergebnisse Basis für die Kraftfahrzeugsteuer neu zugelassener Autos, und das habe europaweit für volle Park- und Abstellflächen bei Herstellern und Händlern gesorgt, sagte Christoph Stürmer, Automobilexperte der Unternehmensberatung PwC. Es stauten sich laut Stürmer die Fahrzeuge, die von den Autoherstellern im Rahmen des alten Fahrzyklus NEDC (New European Driving Cycle) auf Halde gehalten und jetzt noch auf den Markt gebracht werden sollten.
Gleichzeitig belegten bereits zahlreiche Fahrzeuge die Fläche, die nach dem neuen System schon gemessen, aber noch ohne Homo¬logation waren. „Im Vergleich zum Vorjahresmonat stiegen die europäischen Zulassungszahlen im August um 29,7 Prozent“, sagte Stürmer. Dies habe entsprechende Folgen für die Fahrzeuglogistiker und deren Kapazitätsplanung gehabt. Im September gingen dann die Zulassungszahlen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 344.000 Fahrzeuge zurück, für das Gesamtjahr 2018 seien die Zahlen aber weiter positiv.
Und auch in den nächsten Jahren werden die Logistiker laut dem Experten viel zu tun haben. Um den alten Fahrzeugbestand abzulösen und die strengeren Emissionsgrenzwerte einzuhalten, werden die OEM demnach zwischen 2020 und 2021 mit zahlreichen neuen Modellen auf den Markt drängen. Dabei müssten sie ihr Portfolio vor allem im Hinblick auf alternative Antriebe noch gehörig ausbauen. Kühne These des PwC-Beraters: 2030 könnte es bereits keine Fahrer im Fernverkehr und keine Speditionen als reine Frachtvermittlung mehr geben. Auf weiten Distanzen seien dann nur noch autonome Lkw unterwegs, die Be- und Entladung erfolge automatisch, und die Ware suche sich den Frächter selbst, so seine Zukunftsvision.
Eine weitere, viel aktuellere Herausforderung sei der Brexit, sagte Arthur Maher von dem britischen Prognose- und Forschungsinstitut LMC Automotive. Sollte es zu einem harten Brexit kommen, haben laut dem Automobil¬analysten die OEM für das erste Quartal bereits Kontingenzpläne erstellt mit Vorratshaltung an den Produk¬tionsorten, um die Just-in-time-Versorgung der Fahrzeugproduktion nicht zu riskieren.
Brexit gefährdet Standorte
Voraussichtlich 660.000 Fahrzeuge werden dieses Jahr von Großbritannien in die restlichen 27 EU-Länder exportiert, in die andere Richtung gehen 1,89 Millionen Fahrzeuge auf die Insel. Die Hälfte davon wird in Deutschland zusammengebaut. In seiner Analyse zeigte Maher auf, dass einige Automobilstandorte besonders hart von einem Brexit betroffen wären, etwa Köln und Eisenach, weil dort beispielsweise die exportstarken Modelle Fiesta und Corsa produziert werden. Auf englischer Seite sind etwa die Standorte Burnaston und Ellesmere Port gefährdet, die bis zu 80 Prozent nach Europa exportieren. Bei einem harten Brexit, so der Experte, verlören also beide Seiten. Unternehmen täten gut daran, ihr Kerngeschäft und dessen Risiken zu verstehen und bei der Planung auch die Entwicklung der einzelnen Standorte mitzverfolgen.
Wenn in Zukunft aber Fahrzeuge autonom über die Straßen rollen: Bringen sie sich dann nicht selbst zum Kunden und machen so die Automobillogistiker obso¬let? Für Dr. Mario Herger ist diese Frage nicht abwegig. Dem Trendforscher begegnen in seiner zweiten Heimat im Silicon Valley täglich fahrerlose Autos auf der Straße. Mittlerweile hätten 60 Unternehmen die Lizenzen für einen Testbetrieb. Laut Herger werden Technologieunternehmen wie Waymoo, Drive.ai oder Baidu die automobile Welt dermaßen verändern, dass von den bestehenden Herstellern viele keine Zukunft mehr haben – ebenso wie die Lkw-Fahrer im Fernverkehr. Der Bierbrauer Anheuser Busch (Budweiser) und das von Uber übernommene Start-up Otto haben bereits den ersten Biertransport auf die Straße geschickt – autonom.
Der Verband
• -Im ECG mit Sitz in Brüssel sind mehr als 100 Unternehmen aus der EU sowie nicht-EU Länder organisiert. Die Mitglieder erarbeiten wichtige Branchenthemen in diversen Arbeitskreisen
• Zusammengenommen betreiben die Mitgliedsunternehmen mehr als 460 Schiffe für den Fahrzeugtransport, und haben 13.600 spezielle Schienenwaggons, 19 Binnenschiffe und 26.000 Lkw im Einsatz
• Der Verband arbeitet an einer App für die Fahrer der Mitgliedsunternehmen, um etwa den Austausch der Fahrer untereinander zu fördern und eine Plattform für das Finden sicherer Parkplätze zu bieten
• Zukünftig sollen die ECG-Mitglieder sich gegenseitig auf ihren Betriebshöfen eine sichere Parkoption anbieten können
• ECG arbeitet zudem an dem Prognosesystem Caesar, um Schwankungen bei der Produktion und der Zulassung von Neufahrzeugen besser prognostizieren zu können