Sondierungsgespräche: Jamaika stellt Pläne für den Verkehr vor
Die Vertreter von CDU, CSU, FDP und Grünen haben sich in den Jamaika-Sondierungen zum Bereich Verkehr auf Eckpunkte verständigt. Dazu gehören weiter wachsende Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), die Umsetzung anspruchsvoller Klimaschutzziele Verkehr, die Förderung emissionsarmer und- freier Mobilität, synthetischer Kraftstoffe und alternativer Antriebe sowie deutliche Planungs- und Verfahrensbeschleunigungen von Infrastrukturvorhaben.
Zuvor hatten die Grünen ihre umstrittene Wahlkampfforderung, den Verbrennungsmotor für Neufahrzeuge ab 2030 nicht mehr zuzulassen, zurückgenommen. "Wir wollen Grenzwerte einhalten und Fahrverbote vermeiden", heißt es jetzt unter der Überschrift "Diesel/NOx" in dem "Sondierungspapier Verkehr". Der Weg dahin ist noch nicht ganz klar. Die Koalitionäre setzen auf "technische Lösungen" beziehungsweise "geeignete emissionsabhängige Differenzierungen zwischen Fahrzeugen". Und: Zur Erreichung der "Sektorziele Klimaschutz für den Verkehrsbereich" sollen soziale Belange und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft berücksichtigt werden. Viele Kompromissformeln, wie man sieht.
Schiene: Engpassbeseitigung steht im Vordergrund
Bei den Schieneninvestitionen soll der Schwerpunkt auf der Beseitigung von Engpässen, der Elektrifizierung des Netzes und dem Lärmschutz liegen. Für die Realisierung eines Deutschlandtaktes wollen die Parteien die infrastrukturellen Voraussetzungen schaffen. Bei der Straße steht weiterhin "Erhalt vor Neubau" ganz obenan. Für einen besseren ÖPNV sollen die GVFG-Mittel zugunsten der Kommunen dynamisiert und bis zum Ende der Wahlperiode möglichst verdoppelt werden. Alternative Antriebe wollen die Parteien "technologieoffen" fördern, den Ausbau der dazugehörigen Ladeinfrastruktur rechtlich erleichtern, etwa durch Anpassungen im Wohneigentums-, Miet- und Baurecht. Einen "Anreiz" soll es für die dynamische Umstellung von Flotten, Bussen und Taxen geben. Dissens besteht zurzeit noch zu den Fragen einer Diesel- und Dienstwagenbesteuerung sowie zu etwaigen Kaufanreizen für emissionsarme Neufahrzeuge.
Diskussion über Mautlücke zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen
Den von vielen erwarteten Hinweis auf Optimierungen bei der Maut, etwa auf die Einbeziehung der bislang mautfreien Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht, enthalten die bekannt gewordenen und der Fachzeitschrift trans aktuell vorliegenden Sondierungspapiere "bewusst nicht", heißt es. Verwiesen wird auf einen entsprechenden im Bundesverkehrsministerium anhängigen Prüfauftrag, dessen Ergebnisse im Dezember vorliegen sollen. Es zeichnet sich in Regierungskreisen aber bereits ab, dass eine weitere Befreiung dieser Fahrzeuge verfassungsrechtlich nicht länger haltbar ist. Und da eine Maut für diese Kleinlaster bei den Parteien überwiegend nicht strittig ist, wird allgemein mit einer Regelung dieser Frage in den späteren Koalitionsverhandlungen gerechnet.
Maut ab 3,5 Tonnen: Proteste des Handwerks zu befürchten
Äußerst kontrovers diskutiert wird dagegen, ob diese Fahrzeuggruppe dann Pkw- oder Lkw-Maut zahlen soll. Während die Pkw-Bemautung wegen der Kfz-Steuer-Ausgleichsregelung politisch durchgewunken würde, ist eine Lkw-Bemautung dieser Fahrzeuge bei den Parteien umstritten. Zudem wäre mit erheblichen Protesten, insbesondere vieler Handwerksbetriebe und Logistikunternehmen, zu rechnen. Eine von den Grünen und der FDP geforderte Rücknahme beziehungsweise Nichteinführung der Pkw-Maut ist inzwischen vom Tisch. Unbeantwortet blieb schließlich noch die Frage einer Omnibus-Maut.
Der weitere Zeitplan der Sondierungsgespräche
Der weitere Zeitplan der Sondierungsgespräche sieht überwiegend "kleine Runden" bis zum 16./17. November vor. In ihnen sollen die bislang nicht gelösten Themen "abverhandelt" werden. Für die CDU sitzen dabei Thomas Strobl, Innenminister in Baden Württemberg, sowie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am Verhandlungstisch, für die CSU Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, sein Stellvertreter Hans Michelbach sowie Ulrich Lange, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Verkehr und digitale Infrastruktur, für die FDP die Landesvorsitzenden Michael Theurer, Baden Württemberg, und Volker Wissing, Rheinland Pfalz, sowie für die Grünen Fraktionschef Toni Hofreiter und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kerstin Andreae.
Spekulationen, wer der neue Bundesverkehrsminister wird
Natürlich wird, höchst vertraulich noch in Hinterzimmern, längst auch über Personalien geredet. Wer erhält, falls Jamaika Realität wird, welches Ministerium, wer kommt als Minister(in) oder Staatssekretär(in) zum Zuge. Interessant dürfte werden, ob es der CSU trotz der Wahlverluste erneut gelingt, ihren traditionellen Anspruch auf das Verkehrsministerium, in welcher Konstellation auch immer, zu realisieren. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, ehemals bereits Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsressort, und Dorothee Bär, amtierende Staatssekretärin im gleichen Haus, stünden für die Leitung bereit, Bär aber eher für den Bereich Digitales, wo auch immer der künftig angesiedelt sein wird.
Kämen die Grünen zum Zuge, wäre wohl Fraktionschef Anton Hofreiter, ehemaliger Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, ganz oben mit dabei. Genannt werden aber auch die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der baden württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann. Gut möglich aber auch, dass - je nach Proporz - am Ende ein CDU- oder FDP-Politiker auf dem Verkehrsministersessel Platz nehmen wird, selbst wenn sich dafür im Vorfeld klare personelle Präferenzen öffentlich kaum abzeichnen. Schaut man indes in die großen Sondierungsteams der Parteien, finden sich auch hier höchst geeignete Politiker/innen. Auswahl und Gedränge jedenfalls sind naturgemäß groß, mit Überraschungen muss gegebenenfalls gerechnet werden.
Ganz am Rande sorgt in Berlin ein Gerücht aus dem neu zusammengesetzten Bundestag für Aufsehen. Danach ist angeblich beabsichtigt, einen Politiker der AfD zum neuen Vorsitzenden des Verkehrsausschusses zu wählen.