EuGH: Entsenderichtlinie länderübergreifend anwendbar
Der EuGH hat über die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen entschieden. Sie ist auf die länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen im Straßenverkehrssektor anwendbar. Damit hat die niederländische Gewerkschaft Federatie Nederlandse Vakbeweging vor der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1057 des Mobilitätspaketes einen Erfolg erzielt.
„Arbeitnehmer aus Deutschland und Ungarn waren im Rahmen von Charterverträgen als Fahrer tätig“, hießt es in dem Urteil in der Rechtssache C-815/18, die sich auf grenzüberschreitende Beförderungen bezogen, wobei die Charterverträge zwischen einem Güterkraftverkehrsunternehmen in Erp (Niederlande), der Van den Bosch Transporten BV, und zwei seiner Schwestergesellschaften geschlossen worden waren, von denen die eine Gesellschaft deutschen Rechts und die andere eine Gesellschaft ungarischen Rechts ist, die derselben Unternehmensgruppe angehören und an die die in Rede stehenden Fahrer vertraglich gebunden waren.
In der Regel fand die Vercharterung in dem maßgeblichen Zeitraum ab Erp statt und die Fahrten endeten dort auch, die meisten auf der Grundlage der fraglichen Charterverträge durchgeführten Beförderungen fanden jedoch außerhalb des Hoheitsgebiets des Königreichs der Niederlande statt. Van den Bosch Transporten unterlag als Mitglied des niederländischen Verbands für den Güterverkehr dem für diesen Sektor geltenden Tarifvertrag (im Folgenden: Tarifvertrag für den Güterverkehr), der zwischen diesem Verband und der Federatie Nederlandse Vakbeweging (FNV) (Niederländischer Gewerkschaftsverband) geschlossen worden war.
Erfolg für niederländische Gewerkschaft
Dazu sagt Edwin Atema von der niederländischen Gewerkschaft FNV-Stichting VNB, die bereits 2014 ein Verfahren gegen Van den Bosch eingeleitet hat „Das Urteil schützt ausländische Fahrer vor Lohndumping. Niederländische Fahrer und seriöse Arbeitgeber im internationalen Verkehr sind damit auch vor unlauterem Wettbewerb durch andere Unternehmen geschützt. Der Oberste Gerichtshof in den Niederlanden muss nun den Fall Van den Bosch auf der Grundlage dieser positiven Entscheidung weiter bewerten.“
Ergänzung zum Mobilitätspaket
Laut Atema sei das EuGH-Urteil eine wichtige Ergänzung zu den erst im Juli 2020 in Brüssel verabschiedeten Regeln für die Entsendung in den Straßenverkehr, die im Mobiltätspaket 1 festgelegt sind, wie Experte Götz Bopp beschreibt. „Die Richtlinie (EU) 2020/1057 des Mobilitätspaktes enthält zwei wesentliche Bausteine und muss durch die Mitgliedsstaaten spätestens bis zum 2. Februar 2022 umgesetzt und dann angewendet werden“, so Bopp. „Sie konkretisiert die Regelungen bei der Entsendung von ‚Kraftfahrern, die bei in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen beschäftigt sind“ und bei „länderübergreifenden Maßnahmen‘ eingesetzt werden.“ Sie führt zu klareren Vorgaben bezüglich der Straßen- und Betriebskontrollen im fahrpersonalrechtlichen Kontext der Richtlinie 2006/22/EG. Fahrer, die Kabotagebeförderungen nach den EU-Verordnungen 1072 und 1073 aus 2009 durchführen, gelten immer als entsendet. Zu den konkreten Bestimmungen der Kabotage erscheint am 5.12. die Folge 7 des FERNFAHRER-Podcast Truck Talk „Sternstunden des Mobilitätspaketes“ mit Götz Bopp.
Schutz vor Lohndumping
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs werden erste Anhaltspunkte dafür gegeben, unter welchen Umständen für ausländische Fahrer, wie beispielsweise bei Van den Bosch, die Löhne der Niederlande weiterhin für eine Auslandsreise gelten, sagt Atema: „Dies könnte zum Beispiel Fahrer betreffen, die bei einem rumänischen Unternehmen beschäftigt sind und im Auftrag eines niederländischen Unternehmens nur Fahrten zwischen den Niederlanden und Dänemark durchführen, für die alle Fahrten dem niederländischen Tarifvertrag unterliegen. So wird auch das Lohndumping international wirklich angegangen.“
„FNV beobachtet in der Branche seit Langem, dass Transportunternehmen wie Van den Bosch innerhalb von fünf Minuten Lohndumpingkonstruktionen entwickeln, gegen die wir jahrelang ankämpfen müssen“, so Atema. „Jetzt, da die Verhältnisse mit der Entscheidung des EuGH und mit den neuen europäischen Regeln, die 2022 in Kraft treten, von Tag zu Tag klarer werden, muss es wieder zur Normalität werden, dass die Lkw-Fahrer nicht zu Konkurrenten gemacht werden, sondern auf der Grundlage gleicher Arbeit gleich bezahlt werden.“