EU forciert Klimagesetz
Die EU-Kommission will mit einem Klimagesetz die Treibhausgasneutralität bis 2050 als rechtsverbindliches Ziel festschreiben, um „unseren Planeten und die Menschen zu schützen“. Die Brüsseler Pläne lösten auch in der deutschen Wirtschaft Widerspruch aus. Europa solle zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt werden, sagte Kommissionspräsidentin Usula von der Leyen bei der Präsentation des Vorschlags. „Das Klimagesetz ist das Herzstück des Grünen Deals der EU“, sagte von der Leyen. Es biete Planungssicherheit und Transparenz für Industrie und Investoren in Europa, es gebe die Richtung für die grüne Wachstumsstrategie vor und gewährleiste einen fairen Übergang.
Klimaaktivisten kritisieren „Kapitulation“
Bereits zuvor hatten zwölf EU-Staaten in Brüssel ehrgeizigere Ziele gegen die Erderhitzung angemahnt, darunter Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, die Benelux-Staaten sowie Dänemark und Schweden. Deutschland hatte sich dem Vorstoß nicht angeschlossen, bei dem in einem Brandbrief eine 65-prozentige Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 gefordert wurde. Die Kommission will nun zunächst einmal bis Juni 2021 prüfen, ob sie dieses Ziel auf 50 bis 55 Prozent statt der bisher vorgesehenen 40 Prozent erhöht. Klimaaktivisten werteten dies als „Kapitulation“.
Osteuropäer gegen Verschärfung
Stärkere Reduktionen stießen bei mehreren osteuropäischen Staaten dagegen auf Kritik. Auch Teile der deutschen Wirtschaft wandten sich strikt dagegen, darunter erwartungsgemäß die Fahrzeughersteller. „Leider schlägt die Kommission implizit eine Verschärfung des EU-Klimazieles für das Jahr 2030 auf minus 50 oder 55 Prozent vor“, kommentiert der Verband der Automobilindustrie (VDA). „Wir sehen das äußerst kritisch.“ Es müsse immer auch der Aspekt der globalen Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt werden. „Die EU sollte sich auf Investitionen, Innovationen und Marktwirtschaft konzentrieren“, forderte der VDA.
DIHK moniert höhere Kosten
„In jedem Fall werden sich strengere Reduktionsziele in noch höheren Kosten für Unternehmen niederschlagen“, monierte der Deutsche Industrie- und Handelkammertag (DIHK).Es sei unverständlich, dass mit dem Klimaschutzgesetz die Lösung einer globalen Herausforderung auf Maßnahmen innerhalb der EU beschränkt bleiben solle. So würden wirtschaftlich vorteilhafte Potenziale nicht ausgeschöpft und Exportchancen für europäische Greentech nicht genutzt. Und sowieso müsse es Anreize für die Unternehmen geben, damit sie stärker zum Klima- und Umweltschutz beitrügen.
DVF fürchtet Folgen aus EU-Lastenteilung
Das Deutsche Verkehrsforum wiederum befürchtet, dass bei einer Verschärfung des Zwischenziels für 2030 die „Zahlungen Deutschlands im Rahmen der EU-Lastenteilung noch drastischer ausfallen“, sagte Präsidiumsvorsitzender Prof. Raimund Klinkner. Dadurch gingen wichtige Investitionsmittel für den Umbau im Verkehrssektor verloren. Die Weltgemeinschaft sei nicht auf Kurs bei der Eindämmung der Erderwärmung. „Daher hilft es nicht, wenn die EU ihre klimapolitische Zielsetzung im Alleingang weiter in Bereiche verschiebt, die faktisch nicht machbar sind.“ Die Lösung seien technologische Innovationen und Investitionen bei Antrieben, Kraftstoffen und Digitalisierung, der Ausbau der Infrastruktur von Schiene und Wasserstraße, mehr Geld für den ÖPNV sowie bessere Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen solle die EU den Mitgliedstaaten helfen.
Um die Öffentlichkeit auf breiter Ebene in den Klimaschutz einzubeziehen, hat die EU-Kommission eine Konsultation gestartet. Zwölf Wochen lang können sich auch Interessenträger mit Beiträgen an der Ausgestaltung eines Europäischen Klimapakts im Vorfeld der UN-Klimakonferenz im November in Glasgow (COP 26) beteiligen.