Das Paket kommt mit der Straßenbahn

17. Nov. 2022 Newsletter / Transport & Verkehr
Die Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) forscht an einem Pakettransport ohne mehr Verkehr. Ziel ist es, den Pakettransport von der Straße auf die Schiene zu verlagern und dafür freie Kapazitäten der städtischen Straßenbahnen zu nutzen. Im Forschungsprojekt „LastMileTram III“ befasste sich das Research Lab for Urban Transport (ReLUT) der Frankfurt UAS mit der Simulation eines großflächigen Einsatzes.
„Die Simulationsergebnisse zeigen auf, dass in diesem dreistufigen Prozess gegenüber der herkömmlichen einstufigen Belieferung vom Depot des Paketdienstleisters bis zum Endkunden sowohl ökonomische wie auch ökologische Vorteile erzielt werden können“, sagt Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke, Professor für Logistik und Produktionsmanagement.
Dreistufiges Konzept
Das Konzept der LastMileTram sieht demnach vor, dass Pakete mit dem Lkw zu einer Haltestelle in Stadtrandlage transportiert werden, in die Straßenbahn geladen und an eine innerstädtische Haltestelle verbracht werden. Dort übernehmen Lastenradfahrer/-innen die Sendungen und stellen sie den Empfängern zu.
Die in dem vorangegangenen Projekt erlangten Ergebnisse wurden simuliert, um Auswirkungen des geplanten Zustellprozesses auf das urbane Logistiksystem identifizieren zu können. Das ReLUT wandte den Weg des digitalen Zwillings für die Simulation an.
Ökonomischen Vorteile ergeben sich laut der Wissenschaftler daraus, dass vom Depot zur Straßenbahn-Endhaltestelle große und somit effiziente Lkw eingesetzt werden können. Auf Teilstrecke drei, von der Zielstraßenbahnhaltestelle bis direkt zum Endkunden, werden große Lastenräder mit einem mindestens Europaletten-großen Wechselcontainer eingesetzt. Der Elektroantrieb auf allen Teilstrecken spare bei Verwendung von grünem Strom auch CO2-Emissionen.
Wirtschaftlicher als die herkömmliche Belieferung
In Summe sei diese Lösung in ausgewählten Stadtteiltypen wirtschaftlicher als die herkömmliche Belieferung. Für Frankfurt wären dies die Innenstadt sowie die sogenannten Mischgebiete von Sachsenhausen über Bornheim und das Nordend bis Bockenheim. Aufgrund des Elektroantriebs auf allen Teilstrecken können bei Verwendung von „grünem“ Strom auch erhebliche CO2-Einsparungen erzielt werden.
Laut einer Mitteilung der Frankfurt UAS sollen die Simulationsergebnisse ab April 2023 in einem mehrmonatigen Realversuch mit einer umgebauten Güterstraßenbahn sowie mehreren ONO-Lastenrädern in der Realität überprüft werden.
Rechtliche Rahmenbedingen im Blick
Neben der Simulation hat die Hochschule auch eine juristische Analyse erstellt, die die Rechtsverträglichkeit der LastMileTram und des Themas nachhaltige Logistik zum Gegenstand hatte. Die Ergebnisse wurden in einem Buch veröffentlicht.
„Bislang wurde eine Vielzahl an nachhaltigen Transportlösungen entwickelt, ohne aber die rechtlichen Rahmenbedingungen mitzudenken“, sagt Prof. Dr. Domenik Wendt, Professor für Bürgerliches Recht, Europäisches Wirtschaftsrecht und Europarecht. Die rechtliche Analyse umfasste daher sowohl europarechtliche als auch nationale öffentlich-rechtliche Aspekte; zudem wurden die zivilrechtlichen Haftungsverhältnisse begutachtet.
Im Rahmen des Projekts identifizierten die Rechtsexperten zahlreiche rechtliche Herausforderungen einer Güterstraßenbahn. Unklar sei etwa, unter welchen Voraussetzungen die Geschäftstätigkeit von Verkehrsgesellschaften auf den Gütertransport in Straßenbahnen ausgeweitet werden darf oder welche Sicherheitsvorschriften für eine Gütertram gelten würden. Daraus erfolgten zudem Anregungen zur Reformierung der Gesetzeslage wie zur europäischen Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße oder zur Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab). Für die Umsetzung der LastMileTram wären demnach aktuell einige Ausnahmegenehmigungen die Voraussetzung.