Daimler treibt Elektrifizierung voran
Ein weiterer eActros kommt zum Kunden. Zugleich kündigt Daimler den Bau einer rein elektrisch angetriebenen Sattelzugmaschine an.
Daimler will in einem bis anderthalb Jahren eine rein elektrische angetriebene Sattelzugmaschine auf die Straße bringen. Ein Pilotfahrzeug wird dann am Feldversuch mit Oberleitungs-Lkw in Baden-Württemberg als Gegenentwurf teilnehmen. Betreiber des Fahrzeugs wird der Logistikdienstleister Schmitt aus Bietigheim. Das Unternehmen wird den Elektro-Sattelzug im Rahmen des Projekts eWayBW auf der B462 durchs Murgtal einsetzen, wo es zwischen dem Schmitt-Logistikzentrum Ötigheim und dem Daimler-Werk Gaggenau beziehungsweise einer Papierfabrik in Gernsbach-Obertsrot pendeln wird.
Auf dieser Strecke werden die Speditionen Fahrner und Hüttemann im nächsten Jahr auch Oberleitungs-Lkw von Scania einsetzen. Sie sollen sich innerhalb eines definierten Zeitraums dann mit dem batterie-elektrischen Sattelzug von Daimler messen. Ebenfalls Teil dieses Vergleichs wird ein Daimler-Diesel-Lkw der Schadstoffklasse Euro 6d.
Bei dieser einen Elektro-Zugmaschine soll es aber nicht bleiben. Stefan Buchner, Leiter von Mercedes-Benz Lkw, ließ am Donnerstag vor der Presse in Gaggenau durchblicken, dass weitere Sattelschlepper gefertigt werden, um vielfältige, praxisnahe Anwendungsfälle zu erproben. Um welche Tonnagen und Reichweiten es dabei geht, sagte er zunächst noch nicht.
eActros-Flotte soll an 20 Kunden
Ehe aber die Sattelzugmaschine kommt, will Daimler seine sogenannte Innovationsflotte aus 20 eActros-Motorwagen mit Gesamtgewichten von 18 bis 25 Tonnen bei den Kunden komplettieren. Bislang haben Hermes, Edeka, TBS und Meyer Logistik jeweils eine Variante für Testzwecke. Der nächste Kunde ist der erwähnte Logistikdienstleister Schmitt, der das Fahrzeug im Rahmen der Pressekonferenz in Augenschein nehmen konnte und es in den nächsten Wochen zum Einsatz bringen wird. Aufgabe des Stromers werden Shuttle-Verkehre zwischen Ötigheim und dem Daimler-Werksteil Rastatt sein, schultern wird der 25-Tonner Getriebegehäuse.
Spediteur Schmitt: große Auszeichnung für uns
Der eActros wird diese Pendelstrecke im Dreischichtbetrieb zwölfmal am Tag absolvieren, was eine tägliche Laufleistung von 168 Kilometern bedeutet. Schmitt-Geschäftsführer Rainer Schmitt betonte gegenüber trans aktuell: „Dass wir an einer mehrjährigen Entwicklungsarbeit teilnehmen dürfen, empfinden wir als Mittelständler als große Ehre und Auszeichnung.“ Die betreffenden Fahrer sollen mit Unterstützung des Betriebsrats in den nächsten Wochen ausgewählt werden.
Die eActros-Flotte soll zwölf Monate bei den ersten zehn Kunden laufen und danach an weitere zehn Kunden übergeben werden. Zwei weitere Stromer betreibt Daimler selbst, um eigene Erfahrungen zu sammeln. Zusammen haben die bereits eingesetzten eActros-Modelle rund 30.000 Kilometer absolviert.
Neben der Elektrifizierung seiner Flotte treibt Daimler seine Aktivitäten zur Automatisierung und Vernetzung voran. „Wir werden viel Geld in die Hand nehmen, um dort wesentliche Schritte nach vorn zu gehen“, kündigte Daimler-Nutzfahrzeugvorstand Martin Daum an. Anwendungsfälle für das voll autonome Fahren kann er sich zum Beispiel auf dem Vorfeld von Flughäfen oder beim Ernteeinsatz vorstellen. Doch die Technologie sei auch für den Einsatz auf Autobahnen geeignet, bekräftigte Daum. Das sei entweder mit oder ohne Fahrer an Bord möglich. Im zweiten Fall könne er während der Fahrt mit Autopilot schlafen.
Daimler investiert 500 Millionen Euro in automatisiertes Fahren
Daimler hatte unlängst bekannt gegeben, 500 Millionen Euro in die Weiterentwicklung des automatisierten Fahrens stecken zu wollen und hierbei den Schritt von Level 2 (Fahrer in der Verantwortung) zu Level 4 (Fahrer nicht mehr in der Verantwortung) vollziehen zu wollen. „Das wird der nächste große Ingenieursschritt“, betonte Daum. Teilautomatisiertes Fahren in Level 2 ist in Europa bereits mit dem neuen Actros, in den USA mit dem neuen Freightliner Cascadia und in Asien ab diesem Jahr mit dem neuen Fuso Super Great möglich.
Daimler-Manager Daum bekräftigte, dass man bei diesem Thema die nötige Kraft und das nötige Durchhaltevermögen habe. Er hält es für möglich, dass neben den 500 Millionen Euro für den ersten Entwicklungsschritt weitere 500 Millionen Euro an Investitionen nötig sind, um zur Serienreife zu kommen.
Daimler-Vorstand Daum erläutert Gründe für Platooning-Aus
Wo Daimler in Sachen Vernetzung aber nicht mehr tätig werden wird, ist beim Lkw-Platooning. Daum erläuterte auf Nachfrage der Fachzeitschrift trans aktuell, dass sich die Erwartungen in den USA nicht erfüllt hätten. Daimler habe dort für die Tests ideale Rahmenbedingungen vorgefunden: lange und flache Strecken, die hohe Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/h erlaubten. Die Platoons seien aber zu häufig von Autofahrern gesprengt worden. „Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen in den Abstand von 15 Metern drängen“, sagte Daum.
Ist der Platoon erst mal getrennt, muss entweder das vordere Fahrzeug bremsen oder das zweite stark beschleunigen. „Das hat alles, was zuvor eingespart wurde, wieder aufgefressen“, sagte Daum. Sein Fazit: „Lkw-Platooning ist technisch möglich, aber nicht kundentauglich. Deshalb haben wir es eingestellt.“
Daimler übernimmt Habbl
Die Daimler-Telematiktochter Fleetboard geht im Geschäftsbereich Mercedes-Benz-Lkw auf, ebenso der präventive Pannenwarndienst Uptime. Zugleich gibt Daimler die Übernahme des auf Logistikanwendungen spezialisierten IT-Dienstleisters Habbl bekannt. „Wir sind überzeugt, dass wir unseren Kunden damit die beste Lösung anbieten können“, erläuterte Stefan Buchner, Leiter von Mercedes-Benz-Lkw am Donnerstag vor Journalisten in Gaggenau. Habbl bringe alle Beteiligten eines Transportvorgangs zusammen: Fahrer, Disponenten, Verlader und Empfänger. Der Fahrer werde Schritt für Schritt durch eine Tour geleitet, der Disponent wisse jederzeit, wann welcher Lkw wo ist und erkenne frühzeitig, ob es zu Verspätungen kommt, sagte Buchner. „Diese Information kann er per Mausklick mit den Endkunden teilen, das macht viele Telefonat überflüssig.“ Bei einem großen Verlader seien das mehr als 10.000 Gespräche gewesen.
Kosten senken
„Mit habbl helfen wir jedem, der Lkw einsetzt und Güter transportiert, seine Abläufe spürbar zu verbessern und so die Kosten zu senken“, erklärt der Vorstand von Eikona, des bisherigen Eigentümers von habbl, Manuel Drescher. Gemeinsam wollen die Macher und ihr Käufer habbl nun zum europäischen Marktführer unter den mobilen Applikationen entwickeln. Wichtiges Element dafür: die Daimler-Telematiklösung Fleetboard, die Fahrer, Speditionen und Transportunternehmen mit Technik im Fahrzeug sowie der dazu passenden Software unterstützt. „Mit der Flexibilität von habbl, den Fahrzeugdaten und der vertrieblichen Reichweite von Fleetboard haben wir die geeigneten Mittel zusammen, um die Digitalisierung von Transportprozessen in Europa zu beschleunigen“, ist Drescher überzeugt.
Fahrer in jeder Sprache unterstützen
„Mit habbl haben wir eine Lösung entwickelt, die sämtliche Arbeitsschritte in jeder Sprache steuern und erklären kann“, so Drescher weiter. Dabei sei habbl so flexibel, dass jedes Unternehmen ohne Programmieraufwand seine eigenen Abläufe in der App anlegen kann. An den Mann – also in den Lkw – kommt die App dann über mobile Endgeräte oder Fahrzeugtelematik mit Android-Betriebssystem. Inzwischen läuft die habbl-App seit über eineinhalb Jahren bereits in den Fleetboard-Geräten. „Dass habbl nun die zentrale App auf Fleetboard werden soll, macht uns stolz. Und so können wir auch viel schneller wachsen, denn Fleetboard ist einfach überall in den Lkw“, betont Eikona-Vertriebsleiter Norbert Greier. Auf die Daimler-Telematik-Lösung setzen seit dem Jahr 2000 mehr als 7.000 Unternehmen in rund 285.000 Fahrzeugen verschiedener Lkw-Marken – ein Vielfaches der bisherigen habbl-User.