Daimlers Basecamp versorgt Lieferdienste
Daimler hat das integrierte Konzept Basecamp entwickelt. Damit will der Hersteller zusammen mit Partnern Lieferdiensten ein Rundum-Sorglos-Paket bieten.
Dass sich die zu transportierenden Paketmengen immer weiter steigern werden, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Daimler geht davon aus, dass sich das Aufkommen schon in wenigen Jahren erneut verdoppelt. Man könnte also annehmen, die Zeiten für die Produzenten von Lieferfahrzeugen aller Art sind rosig. Die aktuellen Zulassungszahlen im Transporter-Segment untermauern dies. Dennoch will sich Daimler nicht mit der Rolle als bloßem Fahrzeug-Lieferanten zufrieden geben. "Um mit einem Fuhrpark in der Logistikwelt auch weiterhin erfolgreich zu sein, müssen nicht nur die Fahrzeuge, sondern alle Aspekte der gesamten Wertschöpfungskette optimiert werden", sagt Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans. Der ganzheitliche Ansatz von Daimler bringe die Stärken unterschiedlicher Technologien zur Geltung und schafft gleichzeitig nützliche Synergien. Außerdem muss ein Hersteller seinen Kunden auch die nötigen Lösungen mit an die Hand geben, um die Fahrzeuge großflächig in den Markt zu bringen. Daimler bietet daher das sogenannte LogistikPartnerProgramm an. Dazu gehören flexibles Leasing, Sonderkonditionen auf Teile und Dienstleistungen, eine Maximalpreisliste für Reparaturpakete, In-Van-Belieferung sowie die Fahrzeugmiete und Van2Share.
Basecamp - Basislager für Lieferdienste
Mit dem sogenannten Basecamp, das unter anderem dieses Konzept integriert, will Daimler eine kleine heile Welt für Lieferdienste schaffen. Den nötigen räumlichen Rahmen bieten die Fahrzeug-Werke Lueg auf einem Gelände direkt am Bochumer Logistikzentrum des Versandriesen Amazon. Von dort operieren die Lieferdienste, die als Subunternehmer unter der Amazon-Flagge Päckchen ausliefern.
Scanner spürt Schäden auf
Einen Baustein des Basecamp-Konzeptes in Bochum liefert das Lab1886 von Daimler. Die Ideenschmiede, benannt nach dem Geburtsjahr des Automobils steuert dazu den mit Paul aus Passau entwickelten Fahrzeugscanner bei. Innerhalb der wenige Sekunden dauernden Fahrt durch den Scanner lichten Kameras das Fahrzeug hochaufgelöst ab. Auf einer Softwareplattform sind die Bilder dann postwendend einsehbar. Nutzen können den Scanner nur registrierte Fahrzeuge. Eine Kamera erkennt das Nummernschild und gibt erst dann die Schranke frei. Im Scanner-Tunnel tun weitere 18 Kameras ihren Dienst. Aktuell wertet die Bilder ein Mitarbeiter der Fahrzeug-Werke Lueg aus. Später könnte diese Aufgabe ein Algorithmus übernehmen. Doch auch mit der manuellen Auswertung lässt sich direkt nach der Tour nachweisen, wer wann einen Schaden verursacht hat. Ohne den Scanner gestaltet sich die Dokumentation der Schäden laut Daimler deutlich umständlicher. Teilweise liefert auch die verwendete Kamera nicht die gewünschten Resultate. "Eine detaillierte Fahrzeugdokumentation ist aktuell noch ein langwieriger, stark manueller Vorgang", sagt Susanne Hahn, Leiterin Lab1886 Global. "Der Digital Vehicle Scan ist vollautomatisiert und reduziert den Prozess auf maximal 30 Sekunden."
Parkrempler sind auf der letzten Meile ein enormer Kostenfaktor
Schäden am Fahrzeug haben speziell im Geschäft auf der letzten Meile, wo Parkrempler und Co. nicht ausbleiben, einen signifikanten Anteil an den Gesamtkosten eines Fahrzeugs über die gesamte Haltedauer (Total Cost of Ownership, TCO). Der reine Kaufpreis des Fahrzeugs macht dabei über die Laufzeit nur einen minimalen Teil von fünf bis sieben Prozent der Kosten aus. Dazu kommen Lohnkosten und die Versicherung. Auch relativ kleine Schäden können bei der Rückgabe von Leasingfahrzeugen hohe Kosten verursachen, wenn sie nicht rechtzeitig behoben oder gar nicht erst entdeckt wurden. Eine verpflichtende Fahrt durch den Scanner, so die Idee, könnte auch während des Betriebs dazu führen, dass die Fahrer insgesamt sorgsamer mit dem Transporter umgehen und so schon die laufenden Reparaturkosten senken.
Werkstatt vor Ort
Scheppert es trotzdem, ist im Basecamp der Weg zur nächsten Werkstatt nicht weit. Praktischerweise übernimmt diese Aufgabe der Partner Lueg. Für größere Reparaturen steht deren nahes Nutzfahrzeug-Center in Bochum-Wattenscheid bereit. Kleinere Schäden versuche man aber direkt im Basecamp zu beheben. "Große Logistik- und Verteilzentren erfüllen nicht nur ihre Funktion als Auslieferungslager, sondern sie bilden Schnittstellen zwischen Versandhändlern und Lieferdiensten", sagt Stefan Jansen, Vertriebsdirektor Nutzfahrzeuge bei Lueg. "Mit unserem neuen Konzept rücken wir noch näher an unsere Kunden. Pflege und Wartung aus einer Hand schaffen klare Kostenvorteile und machen das Handling für den Flottenmanager wesentlich effizienter und komfortabler." Der Fokus auf neue Dienstleistungen ist für ein Unternehmen wie Lueg gerade hinsichtlich der immer relevanteren Elektromobilität wichtig. Stromer sind in der Wartung ein ganzes Stück weniger anspruchsvoll als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Einen Ölwechsel brauchen die E-Maschinen nicht. Trotzdem sieht Lueg die Technologie nicht mehr als Risiko, sondern als Chance, um mit neuen Dienstleistungen zu punkten und sich so weiterzuentwickeln.
Fahrer parken auf dem Gelände
Neben den Werkstattdienstleistungen stellt Lueg rund 6.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung, auf denen Mitarbeiter der Lieferdienste auch ihre Privatfahrzeuge parken können. Diese arbeitsplatznahen Parkplätze, keine 100 Meter Luftlinie zwischen Privatwagen und Zustellfahrzeug, ermöglichen entsprechend kurze Umstiege ins Arbeitsgerät. Aufenthalts- und Verpflegungsbereiche für die Fahrer sind laut Daimler in Planung.
Amazon will elektrisch liefern
Um das Basecamp nicht nur fit für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft zu machen, integriert Daimler dort schließlich das Thema E-Mobilität. Dies ist auch im Sinne des Partners Amazon. "Amazon geht vom Kunden aus", erklärt Bernd Gschaider, Geschäftsführer Amazon Logistik in Deutschland. Dieser wolle, dass die Lieferkette von Amazon möglichst wenige Auswirkungen auf die Umwelt hat. "Für Lieferungen bedeutet das, dass wir uns darauf fokussieren, den Kraftstoffverbrauch und Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig die Möglichkeiten für Lieferfahrten auf der letzten Meile erhöhen." Dabei gilt es gleichzeitig, möglichst wenig überflüssige Fahrten zu unternehmen. Elektrofahrzeuge reduzieren die Schadstoff- und Lärmemissionen weiter.
Subunternehmer mieten eVitos
Diese Rolle übernimmt bei Amazon der Mercedes-Benz eVito und unterstützt so die bestehende Flotte aus dieselgetriebenen Vitos. Amazon sieht insgesamt in diesem Jahr den Einsatz von 100 eVitos vor. Davon operieren zunächst 30 ab Bochum. Ein weiterer Standort für die Stromer wird laut Amazon Düsseldorf sein. Zwar tritt Amazon an sich als Empfänger der Elektrofahrzeuge aus, rein technisch gesehen mieten jedoch die mittelständischen Auslieferungspartner des Versandriesen die Fahrzeuge direkt bei Daimler. Man sehe sich also eher in der Rolle, die nötige Technologie zur Verfügung zu stellen.
Stromer: Keine Nachteile gegenüber Diesel-Vito
Der eVito hat eine 41,4 kWh große Batterie an Bord. Damit liegt die Reichweite bei theoretischen 150 Kilometer. Selbst bei ungünstigen Bedingungen verspricht Daimler aber eine Mindeststrecke von 100 Kilometern. Genug also, um die in diversen Studien ermittelte Durchschnittslieferroute von 65 Kilometern abzuspulen. Dank der Unterflur-Batterien bleibt das Ladevolumen unangetastet. Die Stromer bieten wie die Diesel-Vitos in Bochum ein maximales Ladevolumen von 6,6 Kubikmetern. Auch die Nutzlast von knapp einer Tonne ist für den KEP-Betrieb ausreichend. Die Leistung des eVito liegt bei 84 kW. Auch dort müssen die Fahrer also im Vergleich zum 111 CDI keine Einbußen hinnehmen. Einzig die Höchstgeschwindigkeit bleibt mit 120 km/h etwas zurück. Dies ist aber vor allem auf der letzten Meile ein eher theoretisches Problem. Auf Wunsch lässt sich der eVito sogar mit weiter reduzierter Höchstgeschwindigkeit ordern, was dem Verbrauch zu Gute kommt. Bezogen auf die TCO schneidet der eVito laut Daimler nicht schlechter ab als sein Dieselpendant. Das mag auch daran liegen, dass der höhere Kaufpreis von immerhin rund 40.000 Euro in der Gesamtkostenbetrachtung bei einem Anteil von wie bereits beschrieben nur wenigen Prozentpunkten letztlich kaum ins Gewicht fällt.
Alte Vito E-Cell halten noch mit
Allerdings sind die neuen eVitos nicht die einzigen Stromer in Bochum. Als Mietfahrzeuge um Spitzen abzufedern steht unter anderem eine ganze Reihe von altgedienten Vito E-Cell bereit. Die Fahrzeuge stammen aus den Baujahren 2009 bis 2011. Dass die Batterien nach der langen Laufzeit noch in Schuss sind, davon sei man selbst überrascht, gibt Daimler zu.
Ökostrom und Ladesäulen von innogy
Damit die Vitos nicht nur lokal die Emissionen reduzieren, setzt sich der weitere Basecamp-Partner innogy ein. "Strom aus erneuerbaren Energien ist eine entscheidende Voraussetzung, um mit batteriebetriebenen Fahrzeugen den größtmöglichen Umwelteffekt zu erzielen", sagt Elke Temme, Leiterin Elektromobilität bei innogy. "Wir zeigen bei diesem Pilotprojekt, welche Einsparungen auch im gewerblichen Bereich möglich sind." Innogy zeichnet in Bochum auch für die Ladestelleninfrastruktur verantwortlich. Aktuell sind dort 30 Säulen vorhanden. Ein weiterer Ausbau sei aber bereits eingeplant.
Kosten: TCO-neutral
Auf die Frage nach den Kosten gibt es indes keine explizite Antwort. Daimler gibt allerdings an, dass das Basecamp bei einer Laufzeit von sechs bis acht Jahren trotz der Infrastrukturkosten TCO-neutral arbeite. Die Vorteile, die ein Kunde dank des Basecamps mit all seinen Bausteinen habe, gleichen also die Kosten auf lange Sicht wieder aus. Voraussetzung dafür ist aber auch eine entsprechend große Fahrzeugflotte. Im Pilotstandort Bochum hat Amazon insgesamt knapp 300 Fahrzeuge im Einsatz. Das ist auch etwa die Größenordnung, ab der ein Basecamp ökonomisch Sinn ergibt. Geht es nach den Partnern, wird das Basecamp in Bochum nicht das einzige seiner Art bleiben.