Autonomes Fahren: Ethische Fragen klären
Auf dem Technischen Kongress des Verbands der Automobilwirtschaft (VDA) in Berlin fordert Daimler mehr Zusammenarbeit in ethischen Fragen.
Renata Jungo Brüngger, Vorstandsmitglied bei Daimler und dort für den Bereich Integrität und Recht verantwortlich, betrachtete die ethischen Aspekte des autonomen Fahrens. Aus ihrer Sicht werden künftig Ingenieure und Juristen immer stärker zusammen arbeiten. Eines sei aber auf jeden Fall klar: Es braucht auch weiterhin einen Fahrer.
Die Juristen forderte zunächst eine Versachlichung der Diskussion. Nur dies trage zur Akzeptanz der neuen Technologie bei. Eins sei allerdings bereits klar: Das autonome Fahren wird schrittweise Realität und sei darüber hinaus ein echter Mehrwert. Denn Fakt ist, dass rund 90 Prozent der Verkehrsunfälle auf menschliche Fehler zurückzuführen sind. Experten rechnen daher mit einem spürbaren Rückgang mithilfe des automatisierten beziehungsweise autonomen Fahrens.
Darüber hinaus bringe die Technologie noch weitere Vorteile mit sich – vor allem hinsichtlich des gewerblichen Güterkraftverkehrs. Diese reichen von einem allgemein besseren Verkehrsfluss über die bessere Planung von Routen bis hin zur vorausschauenden Wartung. Auch vor diesem Hintergrund begrüßte Brüngger den Gesetzentwurf zum automatisierten Fahren der Bundesregierung. „Ich halte das für eine wichtige Weichenstellung.“ Es müsse allerdings bedahct werden, dass der Fahrer jederzeit übernahmebereit sein muss. Denn die sogenannten Level 3-Systeme sind noch keine vollautomatisierten Lösungen. Brüngger warnte daher davor bei der Gesetzgebung schon heute die Anforderungen an Level 5 anzulegen – also die des vollautomatisierten Fahrens.
„Noch kann die Technik ein Martinshorn oder die Regelung des Verkehrs durch die Polizei nicht erkennen“, erklärte sie. Und auch bei der Bildung einer Rettungsgasse sei auch wie vor die Kreativität des Fahrers gefragt. „Gerade dann, wenn man hierfür halb in den Graben fahren muss“.
Hinsichtlich der Haftung ändere sich wenig, berichtete die Juristin. Im Gegenteil – der Fahrer sei sogar von einem Teil seiner Sorgfaltspflicht befreit. Um eine Unfallursache herauszufinden, gebe es den Datenspeicher. Der müsse nicht nur sicher sondern auch datenoffen und -sparsam sein. Im sogenannten Fahrmodusspeicher werde lediglich festgehalten, wann das System aktiv war und wann eine Übernahme durch den Fahrer erfolgt ist. Im Ereignisspeicher wiederum wird ein Minimum an Informationen festgehalten, wenn es zu einem Unfall kommt. Damit sei dem Persönlichkeitsschutz des Fahrers genüge getan.
Aus der Sicht von Brüngger nehmen Dilemma-Situationen in der öffentlichen Diskussion eine zu große Rolle ein. „Wie oft sind Sie in eine solche Situation gekommen?“, fragte sie in die Runde. Das solle natürlich nicht heißen, dass es diese nicht gibt. Und natürlich müssten diese ebenfalls diskutiert werden. Aber: „Dürfen wir über den Wert von Leben entscheiden und wenn ja, wer darf das?“ Das deutsche Recht lasse ein solches Abwägen von Menschenleben jedenfalls nicht zu. Und in vielen anderen Ländern sei das ebenso.
Das Ziel müsse daher sein, Dilemma-Situationen zu vermeiden. Ein entsprechend angelegter Fahrstil soll dazu beitragen. „Unfälle werde es aber auch zukünftig geben“, stellte sie klar. Auch vor diesem Hintergrund müsse die Automobilindustrie den Dialog suchen. Daher gebees eine Ethik-Kommission zum automatisierten Fahren, die mit Personen aus ganz unterschiedlichen Bereichen besetzt ist – bis hin zum ehemaligen Verfassungsrichter Udo Di Fabio.
Der Gewinn an Sicherheit und Komfort werde dem automatisierten Fahren zum Durchbruch verhelfen. Darin ist sie sich sicher. Brüngger rief daher dazu auf, sich an der Diskussion zu beteiligen, um die Technik auf die Straße zu bringen.