China-Verkehre: Schiene im Aufschwung
Die Bahnbranche sieht eine große Zukunft in Verkehren nach China. So haben Containerschiffe derzeit massive Verspätungen, und die Frachtraten sind exorbitant in die Höhe geschnellt. Das hat den Blick verstärkt an Land gelenkt. So hat der weltgrößte Linienreeder Maersk jüngst einen Zug mit Chemikalien von Spanien in Richtung China geschickt. Die zweitgrößte Mediterranean Shipping Company (MSC) erweiterte im April ihr Portfolio und bringt von China, Korea und Japan aus Container intermodal über die russischen Häfen Wladiwostok oder Vostochny nach St. Petersburg. Von dort kann es direkt nach Antwerpen, Bremerhaven, Rotterdam oder Le Havre weitergehen.
70 Prozent mehr Züge zwischen China und Europa
Weiter anschwellende Warenströme wollen bewältigt werden, denn China hat 2020 erstmals die USA als wichtigster Handelspartner der EU überholt. Rund 22 Prozent der Importe im Wert von 383,5 Milliarden Euro kamen aus dem Reich der Mitte, Waren für annähernd 203 Milliarden Euro mit einem Anteil von etwa zehn Prozent am Gesamtexport wurden laut Statistischem Bundesamt dorthin geschickt. Im 1. Quartal 2021 stieg die Zahl der Güterzüge zwischen China und Europa auf 3.345 Fahrten mit 317.000 TEU-Containern. „Das ist ein Anstieg von 70 beziehungsweise 79 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum“, erläuterte Hendrik Wehlen, beim Schienenlogistiker und Güterwagenvermieter VTG für das Geschäft Eurasien und Ferner Osten zuständig.
Globale Handelskorridore als Herausforderung
Das Entstehen neuer globaler Handelskorridore bringt für die EU zahlreiche Herausforderungen mit sich, denn sie muss ihr transeuropäisches Verkehrsnetz (TEN-V) anknüpfen. Hier kommt das Projekt Planet in Spiel, das die Verkehrs- und Logistiknetze der EU sowie weltweit modellieren, analysieren, demonstrieren und bewerten soll. In drei realen Korridoren zwischen der EU und der Welt (China-EU-USA) soll bis 2023 ein digitaler Klon für diese Netze sowie eine aktive Blaupause und ein Fahrplan für deren Realisierung bereitgestellt werden. Das Projekt läuft seit einem Jahr und hat ein Gesamtbudget von über sieben Millionen Euro.
Interkontinentale Plattform gegen Engpässe
„Eurasische Korridore für den Kombinierten Verkehr“, ein Webinar der europäischen Branchenorganisation für den Kombinierten Verkehr, UIRR, hat die Thematik im Rahmen des Planet-Projekts aufgegriffen. Die Veranstaltung war gleichzeitig der Startschuss für eine Interkontinentale Plattform. „Mit ihr werden die Voraussetzungen für einen reibungslosen operativen Ablauf, insbesondere bei Gefahrgütern, geschaffen und auch die Infrastrukturengpässe angegangen“, sagte UIRR-Präsident Ralf-Charley Schultze. Auf Seiten der EU werde allerdings dringend eine europäische Strategie gebraucht.
KV in Richtung China wächst dynamisch
Das Ziel sind brauchbare Konzepte für den Markt in einem EU Global Trade and Logistics Network (EGTN). Corona zum Trotz berichtete die UIRR für 2020 gegenüber dem Vorjahr von einem Anstieg der transkontinental beförderten Sendungen in Richtung Türkei, Russland und China um 31 Prozent auf 144.000 Sendungen. Bislang machen diese Verkehre laut Statistik des Verbands nur einen Anteil von fünf Prozent des jährlichen KV aus, das Segment sei aber dasjenige, das am dynamischsten expandiere, sagte Schultze.
Chemische Industrie will Alternativen
Die europäischen Entwicklungen müssten mit denen in Russland, Zentralasien und China zusammengebracht werden, unterstrich Wehlen. Es gehe um Interoperabilität und Kooperation. Dabei werde auch die Digitalisierung immer wichtiger, und hier werde ein enormer Schritt in Richtung Harmonisierung gebraucht. Grundsätzlich nehme die Wirtschaft wahr, „dass die Bahn eine wirkliche Lösung für Verkehr zwischen Europa und China ist“.
So suche gerade die chemische Industrie nach verlässlichen Alternativen zum Schiffsverkehr. Für diese Transporte, die aufgrund geringerer Störfaktoren transsibirisch laufen könnten, gelte es, gemeinsame Regeln aufzustellen. Wehlen hält es für realistisch, dass sich multimodale Verkehre in Richtung Ferner Osten bis 2025 verdoppeln. Das Güteraufkommen steige auch in den kommenden Jahren weiter an, und nachhaltige Transportlösungen würden immer wichtiger.