Brexit: Staus vor Calais und weitere Ungewissheit
Zwei Wochen vor dem für den 29. März geplanten Brexit liegen die Nerven in der Transportbranche blank. Noch immer herrscht Ungewissheit. Nach einer erneuten Abstimmungsniederlage der britischen Premierministerin Theresa May im Parlament ist eine Verschiebung des Austrittstermins wahrscheinlicher geworden, aber Staus in Calais und mangelhafte Vorbereitungen für ein ungeregeltes Ausscheiden aus der Union verbessern die Stimmung nicht.
In einem offenen Brief an die Premierministerin und die Abgeordneten hat der britische Branchenverband Freight Transport Association (FTA) erneut eindringlich vor einem „No Deal“-Brexit gewarnt. Es könne zu einem Erliegen des Verkehrs in den Fährhäfen kommen, wenn Umstellungen und Kontrollen am Zoll nicht gleitend eingeführt würden. Die Folge wären außerdem Versorgungsengpässe bei Frischeprodukten und Medikamenten, ein Mangel an Arbeitskräften, weil diese nach Europa zurückkehrten, sowie massive Verspätungen bei Im- und Exporten mit großen Schäden für die Industrie.
„Die Regierung glaubt, dass sie die notwendigen Prozesse angestoßen hat, aber es ist noch so viel zu vereinbaren und anzukündigen“, klagt FTA. Die Logistik brauche ausreichend Zeit, um sich anzupassen und die Änderungen umzusetzen. „Es ist beunruhigend, dass noch so viel geklärt werden muss.“ Ein „No Deal“ erhöhe die Kosten der britischen Transportkette um 5 bis 35 Prozent, das Ganze habe Auswirkungen auf sieben Millionen Arbeitsplätze im Land. Der Verband Road Haulage Association (RHA) sprach von der „Unfähigkeit der Regierung“. Die Situation sei zu einer Farce geworden, und die Branche von einem Niedergang mit katastrophalen Ausmaßen bedroht.
Zöllnerstreik in Frankreich verursacht Staus
Erschwerend kommt seit Anfang März ein Bummelstreik der französischen Zöllner hinzu, der für kilometerlange Staus und stundenlange Wartezeiten in Richtung Calais und Dünkirchen sorgt. Entlang der Autobahnen wurden zwar Haltebereiche für Lkw eingerichtet, aber die Lage für die Fahrer erschwerte sich enorm, auch mussten sie wieder Übergriffe durch Migranten befürchten.
Der französische Zoll seinerseits wollte mit genauen Kontrollen auf die nach einem Brexit drohenden Zustände aufmerksam machen. Jetzt wird mit der französischen Regierung über weitere Einstellungen zu den bereits angekündigten 700 neuen Posten, neues Material und mehr Geld verhandelt. Zur Diskussion steht ein Paket mit einem Umfang in Höhe von 14 Millionen Euro.
Die britische Branche aber treibt derzeit noch eine ganz andere Sorge um: Mehr als drei Millionen Paletten pendeln für gewöhnlich pro Monat zwischen der Insel und dem Kontinent hin und her. Weniger als ein Drittel davon erfüllen die Normen, denen Drittstaaten unterworfen sind. Bei einem harten Ausstieg werden in Großbritannien auch noch die Paletten knapp. Nach Medieninformationen bedeutet das das Aus für jeden achten Betrieb in der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion.